«Meine Erinnerung» von Agnes Schoo
Erinnerung an die Kinder und Jugendjahre.
Die eigene Geschichte aufschreiben: Für viele Menschen ist das ein stiller und lang gehegter Wunsch. Besonders authentisch sind die Geschichten, wenn sie nicht von Außenstehenden, sondern von den Menschen erzählt und aufgeschrieben werden, die in dieser Zeit gelebt haben und groß geworden sind. Frau Agnes Schoo, geb, Ahrens, hat sich im Jahr 1996 daran gemacht ihre lebensnahen Kindheitserinnerungen aus den 1930er – 1940er Jahren aufzuschreiben. Es ist ein wunderschönes und sehr wertvolles Zeitdokument geworden.
Es war ihr Anliegen, Zeitzeugin für ihre Enkel zu sein.
Als Agnes Ahrens ist sie im Jahr 1925, als zwölftes von dreizehn Kindern, in Halverde geboren. Sie war schon gut 70 Jahre alt, als sie ihre Erinnerungen aufgeschrieben hat.
Ihr ist es mit ihrer klaren einfachen Sprache gelungen, ihre Kinderjahre in Halverde detailreich und lebendig zu schildern.
In ihren Erinnerungen beschreibt sie, dass das Landleben weder nur hart noch nur idyllisch war. Sie lebten mit mehreren Generationen als Großfamilie. Die Kinder mussten mitarbeiten, natürlich. Sie kannten es auch nicht anders.
Frau Agnes Schoo ist am 21. 11. 2012 im Alter von 87 Jahren gestorben.
Wir danken der Tochter Walburga Zimmermann für ihre gute Entscheidung dieses recht persönliche Tagebuch ihrer Mutter veröffentlichen zu dürfen. Ihr Anliegen ist es, die damaligen Lebensumstände von kinderreichen Heuerleuten, wie die ihrer eigenen Familie, den Leserinnen und Lesern authentisch zu schildern. Wenn denn anschließend die einen bestätigen, „Ja, so war es!“, und die anderen fragen „Ach, so war es?“, dann wäre das Ziel erreicht, das damalige dörfliche Landleben im alten Halverde ehrlich zu beschreiben.
Wir wünschen nun viel Spaß beim Lesen dieser Erinnerungen.
Thea und Josef Brinker
Wer die «Erinnerungen» lieber ausgedruckt lesen möchte, kann sich hier eine pdf-Datei herunterladen.
«Meine Erinnerung»
aufgeschrieben im August 1996
Unsere Familie war eine Großfamilie wie man es zu meiner Kinderzeit gar nicht anders kannte, es war ganz selbstverständlich. Mei

Foto: Walburga Zimmermann
ne Mutter hat 13 Kindern das Leben geschenkt, davon bin ich die Nummer 12. Alle Kinder waren gesund und es ist auch aus allen etwas gutes geworden. Das 4. Kind, unser Hugo, hat mit einem Jahr „Englische Krankheit“ gehabt und ist davon taubstumm geworden. Weil man unseren Eltern geraten hatte ihn in ein Taubstummenheim zu geben, ist er dann nach Niedermarsberg gekommen im Kindesalter ist er dann schon gestorben. Ich glaube, dass er 8 Jahre alt geworden Ist. Unser Hugo war nur ein halbes Jahr in Niedermarsberg ist an Lungenentzündung und Heimweh gestorben und dort beerdigt worden. So ganz viel kann ich aus meiner Kindzeit gar nicht mal erzählen. Wir hatten rund ums Haus viel Platz zum spielen und wir waren auch Kinder genug. Zu anderen Kindern durften wir nicht. Nur zu einem Mädchen, welches immer im Bett liegen musste. Dort konnte man schön spielen. Sie hatte viele Spielsachen und ich war selig, wenn ich die schöne Puppe auf meinen Arm nehmen durfte. Wenn wir zu ihr gingen, mussten wir unser Sonntagskleid ausziehen und unser Schulkleid anziehen. Dazu hatten wir, Anna, Ida und ich eine blaue Schürze mit weißen Punkten. Und wie wir uns im Sonntagstaat fühlten.
Eines Tages wir waren bei schönem Sommerwetter unterm Birnbaum am spielen. Unser Karl, Otto, Anna, Ida, Franz und ich. Unsere Spielsachen waren meistens selbst gemachte Bälle mit Lumpen gefüllt und auch selbst gemachte Puppen. Aus Abfallbrettchen aus Papas Werkstatt hatten unsere Jungs mitunter etwas geschnitzt. Auf einmal hatte unser Karl die tolle Idee, das wir die eine Puppe, sie war sicher alt und verschließen, beerdigen wollten. In feierlicher Prozession, mit Blumen und Fahne wurde sie dann zum Grabe, das an der anderen Seite des Weges war, getragen und dort unter Sträuchern und Pappeln beerdigt. Unser Nachbarjunge wollte auch bei uns mit tun, aber scheinbar war er wohl nicht würdig dazu. Unser Karl war der älteste von unserer Gruppe und hatte das sagen.
Kurzum sagt er ihm, dass er nach Hause gehen solle. Der wollte nicht, und kurzum hatte er ihn in den Arm gebissen. Der lief heulend nach Hause und ganz schnell kam seine Mutter schimpfend aus dem Haus. „Ihr bösen Kinder, habt unseren Joseph einfach gebissen, schämt euch was.“ Am nächsten Tag hatten wir alles wieder vergessen und wir haben alle zusammen gespielt. Einige Zeit später wollten wir die Puppe wieder ausgraben, aber sie war nicht mehr zu finden.
Geschmeckt hat es uns immer
Unsere Tischordnung beim Essen war so: Oben am Tisch war Papas Platz. Hinterm Tisch stand eine lange Bank der Jüngste von den Jungs saß am dichtesten bei Papa bis dann der älteste den letzten Platz hatte. Die Mädchen waren an der anderen Seite in der gleichen Ordnung. Morgens um 7 Uhr gab es einen Teller voll heiße Milch mit Schwarzbrot. Um 9 Uhr Frühstück: Brot und Schwarzbrot darauf und Wurst aus der eigenen Hausschlachtung. Mittags 12 Uhr wurde gegessen. Es gab einen deftigen Gemüse-Topf (Durchgemüse, Kartoffeln und Gemüse durcheinander gekocht) mit einem Stück Speck und vielleicht auch eine Wurst mit drin gekocht. Wenn es Pudding oder Reis als Nachspeise gab, dann war etwas besonderes. Um 4 Uhr war Vesperzeit, da gab es wieder ein Butterbrot. Abends um 7 Uhr oder 8 Uhr war Abendessen. Da gab es Bratkartoffeln oder Pfannkuchen. Der Rest vom Mittagsgemüse wurde dazu aufgewärmt oder wir aßen Salat oder Kompott dazu. Geschmeckt hat es uns immer. Sonntags gab es immer Suppe vorweg. Ein Feiertag oder ein Sonntag ohne Suppe, das gab es nicht. Eingemachtes aus Gläsern war dann auch meistens bei Kartoffeln und Gemüse dabei. Eben etwas besonderes zum Sonntag. Wir aßen immer in der Küche, weil da auch der größte Platz war. Wir passten nicht immer an einen Tisch, dann wurde ein kleiner Tisch dazu gestellt. Das Fleisch wurde meist so aufgeschnitten dass alle etwas bekamen aber trotzdem waren wir schnell dahinterher ein Stück zu erhaschen. Später hat Vater einen Ausziehtisch gemacht, da passten dann alle an einen Tisch. Im Sommer haben wir Kinder draußen gegessen. Der kleine Tisch wurde nach draußen gebracht. Geschützt vor kaltem Nordwind stand da ein großer Kaninchenstall. Eine Bank und ein alter Sessel für Opa standen im Sommer immer draußen.
Unsere Schulaufgaben machten wir auch draußen am Tisch. Daneben stand ein Schuppen, den wir Abdach nannten. Bei Regenwetter wurde der Tisch dann da untergestellt. Da an der Wand das Brennholz gestapelt war, war es da auch gar nicht zugig und wir fühlten uns wohl. Gezankt und gestritten haben wir uns auch wohl. Es gab dann eine Ohrfeige oder wenn es ganz schlimm war musste der Übeltäter in den Keller. Ich kann mich erinnern, dass ich auch einmal im Keller eingesperrt war. Ich wollte das nicht essen was auf dem Tisch stand, es war schlimm für mich.
Leben im Heuerhaus
Unser Haus war kein Eigentum. Es war ein Heuerhaus mit zwei nebeneinander wohnenden Familien. Die Wände waren dünn. Ganz früher ist das Haus in Halverde die Notkirche gewesen. Auf unserem Dachboden war noch der Balken zu sehen wo das Glöckchen angebracht war. Das Haus gehörte dem Bauer Meier. Als Miete mussten wir an bestimmten Arbeitstagen zum Helfen kommen. Es war zur Pflanzzeit, zum Heuen und zur gesamten Erntezeit. Geld für die Miete mussten wir auch bezahlen. Wieviel die Eltern bezahlen mussten wussten wir Kinder nicht. Vater musste alle Sachen reparieren die auf dem Hof anfielen. Alle 4 Wochen war große Wäsche. Wenn wir dann auch gerade beim Waschen angefangen waren und der Bauer gegen 9 Uhr kam und wollte Hilfe haben, dann musste man zu Hause alles liegen und stehen lassen und beim Bauern helfen. Zum vierwöchentlichen Waschen brauchte man große Fässer und einen großen Kessel zum Kochen. Wir hatten einen Kessel mit Rädern. Sonntags stand er auf der Diele. Wir hatten Einsätze dafür. Zum Waschen oder Futter kochen kam er in die Küche. In den einen Einsatz wurde der Schweinetopf gekocht und der andere, der war mit Emalie ausgekleidet, wurde zum Wäsche kochen gebraucht. Weil unser Kessel Räder hatte wurde er zu Hochzeiten und auch wohl ausgeliehen und dann wurde darin die Suppe gekocht.
Waschtag alle vier Wochen

Agnes steht links direkt neben der Mutter. Foto: Walburga Zimmermann
Montags war Waschtag, aber nur alle 4 Wochen. Dann wurden alle Betten frisch bezogen. Im Sommer hatten wir hellgeblümte Bettbezüge und im Winter dunkelbunte. Badezimmer hatte man nicht, deshalb wurde auch fast gar nicht gebadet und wenn dann doch, wurde ein großes Fass in die geheizte Stube gestellt. Einer nach dem anderen dann in die Wanne. Der Sauberste war als erster dran. Ansonsten wusch man sich morgens an der Pumpe. Dort war eine Schüssel. Wer Glück hatte, konnte sich noch etwas warmes Wasser aus dem Wasserkessel vom Herd dazu schütten. Mitunter musste es schnell gehen, denn der Nächste wartete schon. Unterwäsche wurde einmal die Woche gewechselt. Die Hemden waren aus Leinen oder Nessel genäht, diese scheuerten durch ihre Härte den Körper sauber. Der Waschtag war ein schwerer Arbeitstag. Am Samstag wurde die weiße Wäsche in einem großen Fass, mit Soda im Wasser, eingeweicht. Montags morgens musste ausgewrungen werden. Die ganz schmutzigen Stellen wurden ausgewaschen und mit Kernseife eingerieben. Dann wurde alles Weiße im großen Kessel mit Seifenpulver gekocht. Danach kam alles in ein großes Fass und es musste per Hand gewaschen werden. Danach musste alles 3 mal gespült werden. Das Wasser dazu musste in Eimer gepumpt und dann in große Fässer getragen werden. Die Seifenlauge wurde anschließend noch für alle Buntwäsche gebraucht. Zum Wäsche trocknen spannte Papa uns eine Leine bei unserer Wiese. Die war schön lang und man konnte die Wäsche dort wunderbar trocknen. Wenn sie trocken war wurde sie schön gezogen und glatt gefaltet und wieder in den Schrank gepackt. Oberhemden, Schürzen, Kleider und Taschentücher wurden gebügelt.

Foto: Heimatverein Halverde
Wenn man in unser Haus kam, waren wir gleich in der Küche. Sie war ziemlich groß. Direkt daran war über dem Keller eine Upkamer. Die Treppe war zum hoch hängen und runter lassen. Dann hatten wir 2 Stuben und 3 Schlafkammern. Eine für Papa und Mama, da stand auch noch ein Kinderbett. Eine weitere für die Mädchen und eine für die Jungs. Die größeren, älteren Geschwister waren zum Teil auch schon bei anderen Leuten „in Stellung“. Wir schliefen immer zu zweit in einem Bett. Schlarafia-Kissen hatten wir nicht, die gab es auch, glaub ich, noch nicht. Wir hatten Stroh im Bett das war unsere Unterlage. Zuerst war es sehr hoch aber bald hatte jeder wieder seine Kuhle, in die man seinen Popo hinlegte. Sogar die Lehrlinge, die unser Papa In der Werkstatt beschäftigte haben bei uns geschlafen. Jeder hatte sein Kopfkissen und zum Zudecken ein Federoberbett.
Der Pastor hatte immer einen Rohrstock dabei
Mit 7 Jahre kam ich in die Schule. Wir wohnten im Dorf, Nahe bei der Kirche und Schule. Die Schule hatte 2 Räume, 2 Klassenzimmer, in einer Klasse waren 4 Jahrgänge der 1. 2. 3. und 4. Jahrgang. In dem anderen Zimmer waren der 5. 6. 7. und 8. Jahrgang zusammen. Wenn die Lehrerin sich mit dem 1. und 2. Jahrgang befasste, dann mussten die anderen Jahrgänge, drei und vier meistens schreiben. Oder es war umgekehrt. Ich bin immer sehr gerne zur Schule gegangen und meine Zeugnisse waren gut. Ich darf es meinen Enkeln wohl zeigen. Im Krieg, es war ja auch Nazi Zeit, da waren die Lesebücher nicht mehr so wichtig, da gab es für die Schulkinder eine Zeitung „Hilf mit“, hieß sie. Daraus mussten wir dann lernen. H. J., S.A. oder B.d.M. hat es in Halverde nie gegeben. Die BdM von Schale hat es oft versucht die Mädchen aufzunehmen es hat aber nie geklappt. Wir mussten im Krieg von der Schule aus auch Ähren suchen, Kartoffelkäfer absammeln und Heilkräuter suchen. Ebenfalls Altpapier und Knochen. In einem Lied sang man damals: „Knochen, Eisen, Lumpen und Papier, ausgehauene Zähne sammeln wir“. Der Schulunterricht begann mit dem Kirchgang, alle Kinder gehen jeden Morgen zur Hl. Messe. Bevor der Unterricht begann, wurde ein Gebet gesprochen. Die Religion in Halverde wurde teils vom Lehrer, teils vom Pastor gehalten. Den Katechismus mussten wir gut auswendig lernen. Wer daraus die Fragen nicht beantworten konnte, bekam Strafe. Einen Rohrstock hatte der Pastor immer bei sich, hinten im Gehrock versteckt. Die Jungen bekamen auch wohl Schläge damit. Sonntags wurden wir 3 mal zur Kirche geschickt, zur Messe um 7 Uhr und 10 Uhr und nachmittags zur Christenlehre und Andacht. O weh, wir konnten die Fragen aus dem Katechismus nicht beantworten. Zur Kommunion ging man, wenn man gebeichtet hatte. Alle 4 Wochen war gemeinschaftliche Kommunion. Einmal die Jünglinge, einmal die Jungfrauen, mal die Frauen und auch die Männer. Wenn die Jünglinge ihren Sonntag hatten, gingen sie am Samstagabend zur Beichte und kamen nachher zu uns und ließen sich die Haare schneiden. Unser Bernhard und Josef waren keine Friseure, aber Haare schneiden konnten sie ganz gut. Sie bekamen 20 Pfennig dafür. Im Sommer wurden draußen auf dem Hof die Haare geschnitten. Im Winter bei uns in der Küche.
Spärliche Beleuchtung
Als Beleuchtung hatten wir Petroleumlampen. Sie waren sehr schön. Einige hingen mit einer Kette befestigt an der Decke. Man konnte sie herunter ziehen und auch wieder hoch schieben. Andere stellte man auf den Tisch. Wir hatten auch Schildlampen. Im Schild war ein Spiegel, damit die Lampe noch mehr Licht abgeben konnte und man konnte sie auch auf einem Nagel an die Wand hängen. Zwischen Küche und Diele hatten wir ein kleines Fenster. Damit wir auch auf der Diele Licht hatten, stand da im Winter immer eine Schildlampe. Es gab auch Sturmlaternen und Karbidlampen. Bei der Sturmlaterne war rundherum Glas und Draht. Sie wurde da gebraucht wo offenes Licht gefährlich war und wenn Pferdewagen in der Dunkelheit noch draußen fuhren kamen vorne und hinten eine Sturmlaterne an den Wagen. Die Karbidlampe brauchte man fürs Fahrrad. Vorne an dem Lenker wurde sie angebracht. Im Krieg wurde das Glas der Lampe mit schwarzem Papier oder Farbe dunkel gemacht. Es durfte nur noch durch einen kleinen Schlitz das Licht scheinen. Unsere Petroleumlampen mussten öfters geputzt werden. Vor allen Dingen mussten die Zylinder ganz blank geputzt werden. Zum Putzen brauchte man Bürsten, saubere Lappen und Sidol. Es war eine schmutzige Arbeit, aber wir konnten uns auch nicht davor drücken.
Strenge Vorbereitung auf die Heilige Komminion und Tod der Mutter
Als ich im 4. Schuljahr war, da war ich Kommunionkind. Lange Zeit vorher wurden wir schon auf die Beichte vorbereitet. Das machte unsere Lehrerin. Als wir unsere ersten Beichten hatten, mussten wir uns in der Schule vorbereiten. Wir wurden alle weit auseinander, auf verschiedenen Plätzen, eingeteilt, damit keiner bei dem anderen auf den Sündenzettel schauen konnte. Diesen Zettel nahmen wir dann mit zur Beichte, nachdem die Lehrerin sie erst nachgesehen hatte. Vor unserer 1. Heiligen Kommunion haben wir dreimal erst gebeichtet. Mein Feiertag war still. Ich habe nicht viel Erinnerung daran. Vier Wochen vor meiner Erstkommunion war unsere liebe Mutter gestorben. Sie war erst 55 Jahre alt. Sie war operiert. Sie hatte Gebärmutterkrebs. An dem Sonntag als Mutter gestorben ist hätten wir Kinder sie besuchen dürfen, aber der liebe Gott hat es anders gewollt. Weil alle Verwandten zu Mamas Beerdigung dagewesen waren sind nicht mal unsere Taufpaten zu meiner Erstkommunion gekommen. Meine Patin Tante Maria aus Weese hat mir ein Gebetbuch geschenkt und von meinem Patenonkel Bernhard habe ich neue Schuhe, mein Kränzchen und einen Rosenkranz bekommen. Wir Kommunionkinder trugen alle dunkelblaue Kleider. Meins war aus den Kleidern von Annas und Idas Kommunionkleider genäht worden. Mit dem weißen Kränzchen und einer weißen Schleife im Haar war ich schön gekleidet.
Heute denke ich mir, dass man mir das Kleid auch schon zu Mutters Beerdigung fertig gemacht hatte. Unser Mutters Grab war vorne auf dem Friedhof. Es war ein Eckgrab. Unser Vater hat die Umfassung für das Grab und den Sockel für das Holzkreuz selbst behauen. Aus Eichenholz war das Kreuz und nur mit Lack bestrichen und haltbar gemacht. Somit sah es braun aus, es war mit dem Namen und Geburtsdatum versehen. Das Denkmal war schön gemacht. Ein schwarzes Kreuz, wie es auf anderen Gräbern wohl stand, mochte Papa nicht leiden und somit hat er alles nach seinem Geschmack gemacht. Samstags fuhr immer einer zum Friedhof und hat um Mamas Grab geharkt. Das gehörte mit zur Samstagsarbeit.
Als Kinder regelmäßig im Haushalt mitgearbeitet

Was auch jeden Samstag gemacht werden musste, war das Schuhe putzen. Was habe ich das oft und lange tun müssen. Ich habe mir eine Sackschürze umgebunden und alle schmutzigen Schuhe wurden in der Sackschürze zusammengeholt. Zehn bis zwölf Paare schwarze Schuhe waren es wohl. In der Küche wurden sie geputzt. Ich setzte mich auf ein Fußbänkchen und die Schuhe standen paarweise im Halbkreis vor mir. Mit einer harten Bürste wurden alle gesäubert dann wurden alle nacheinander eingewichst. Wenn das beendet war wurde mit einer Bürste blank geputzt. Dazu habe ich gerne gesungen. Papa legte großen Wert darauf, dass alle am Sonntag mit blank geputzten Schuhen zur Kirche gingen. Wenn die Absätze sauber und blank waren, war es die Schnauze auch. Außer unseren Schulaufgaben, mussten wir zu Hause auch noch einige Arbeiten verrichten. Kohle- und Holzkisten mussten neben dem Kohleherd immer wieder voll gemacht werden Dazu gehörte auch feines Holz von Buschen fürs Anheizen. Kartoffelschälen war auch unsere Arbeit. Einen 10 Liter Eimer voll brauchten wir jeden Tag. Die Kartoffeln durfte man nicht so dick schälen, sonst wurde der Eimer gar nicht voll. Einmal hatten wir wohl keine Lust zum Schälen. Wir hatten den Eimer nur halb voll gemacht und viel Wasser darauf getan und weit in die Ecke geschoben, das es keiner merken sollte. Am nächsten Morgen wollte unsere Schwester den Mittagstopf fertig machen, da hatte sie nicht genug Kartoffeln. Da war sie doch recht ärgerlich. Wir haben derbe Schimpfe und kein Mittagessen bekommen. Ein Stück Schwarzbrot durften wir uns aus dem Küchenschrank nehmen und das war es dann. Unsere Schwester musste ja auch zu 12 Uhr das Essen fertig haben. Unser Papa und die großen Brüder kamen um pünktlich 12 Uhr zum Essen nach Hause. Sie arbeiten auf dem Bau und hatten Hunger. Unser Vater war Zimmermeister.
Eine Meisterprüfung brauchte er früher nicht zu machen. Nach einer bestimmten Anzahl von Berufs- und Gesellenjahren, durfte er, und er hat auch, Lehrlinge ausgebildet. Alle Brüder sind dann auch Zimmerleute und Maurer geworden. Im Sommer wurde auf dem Bau gearbeitet und im Winter sind unser Joseph und Bernhard in Buer auf die Handwerkerschule gegangen.Sie konnten bei Onkel Karl in Westerhold zu der Zeit wohnen. In meiner Kinderzeit gab es auf dem Bau noch keine Maschinen. Das Holz, die Balken mussten alle mit der Axt oder mit dem Beil per Hand behauen werden. Eine große Säge, die von Leuten hin und her gezogen wurde, brachte die Balken in die richtige Länge. Unser jüngster Bruder ist kein Zimmermann geworden, er hatte keine Lust dazu. Als Schuljunge sollte er für Papa die Zinken für eine Holzharke schnitzen. Er hat sie alle im Ofen verbrannt. Aber wenn er für Papa mal nach etwas aus der Schmiede holen sollte, dann war er auf zack. Dazu hatte er Lust und in der Schmiede fühlte er sich wohl, er ist auch Schmied geworden.
Eine eigene Landwirtschaft
Im Sommer (Juni), gingen Papa mit Josef und Bernhard, jeder hatte eine Sense bei sich, ganz früh, vier Uhr etwa, ins Unland wo wir unsere Wiese hatten, zum Grasmähen. Um 6 Uhr brachte dann einer eine Düppe voll frisch gebackenen Pfannkuchen dorthin. Das Wetter musste schön sein, und ein paar Tage lang musste das Gras bearbeitet werden und trocknen, damit es Heu wird. Es musste geharkt und gewendet werden und zum Schluss machte man es in große Haufen. Papa war in der Sache sehr genau, das Heu musste super trocken sein. Wenn es dann ganz trocken war, liehen wir uns einen Wagen, wo dann ein Ochse vorgespannt wurde. So ein Ochse ging langsam aber er war stark. Wenn das Heu nicht ganz trocken war, konnte es sich selbst entzünden und es bestand Brandgefahr. Bei uns kam das Heu auf den Balken (Dachboden). Die Decke über unseren beiden Stuben war etwas tiefer, dadurch waren auf dem Balken große Stellen, wo das Heu drin kam. Wir Kinder mussten das Heu fest in die Löcher treten. Erstmal damit viel Heu schon mal weg war und zum zweiten, desto wärmer war es im Winter in der geheizten Stube darunter. Im Frühling wurde dieses Heu aus den Löchern als letztes zum Füttern gebraucht. Wir hatten 3 Kühe im Stall. Sie hatten alle einen Namen: Frieda, Dora und Olga, hießen sie. Im Sommer wurden sie zu einer Wiese gebracht und abends wieder in den Stall geholt. Ganz in der Nähe floss bei uns die Aa. Darin tranken die Kühe bevor sie in den Stall kamen. Auch im Winter wurden die Kühe zur Aa getrieben, um Wasser zu trinken. Vom Dorf aus gesehen waren wir das letzte Haus, dahinter waren alles Wiesen. Von jedem Haus wurden die Kühe morgens zur Wiese getrieben. Ein alter Opa musste auch täglich die Kühe zur Weide bringen. Bis zu uns. Dann sagte unser Papa zu uns Kindern bringt mal schnell die Kühe weiter zur Wiese. Das haben wir gerne gemacht und der Opa setze sich zu unserem Papa und die beiden erzählten sich das Neueste. Abends war es umgekehrt, wir haben die Kühe aus der Weide geholt und er hat sie dann nach Hause getrieben. Belohnung gab es nicht dafür.
Abends regelmäßig zur nahen Aa
Im Sommer hatte die Aa meistens nicht so viel Wasser, aber für uns Kinder war es gerade richtig. Nach dem Abendessen, wenn wir mit dem Spülen und Abtrocknen fertig waren, gingen wir Kinder zur Fußwäsche zur Aa. Das war immer lustig. Es gab da eine Stelle, da konnte das Wasser gestoppt werden und da waren Bretter im Flussbett. Dort planschten wir dann gerne, Jungen und Mädchen. Badeanzug, so etwas hatten wir nicht. Die Jungen krempelten ihre knielangen Hosen etwas höher um und da wir Mädchen Schlüpfer an hatten, wo Gummiband an den Beinen eingenäht war, steckten wir den Kleiderrock da hinein. Wir wurden bei unserer Planscherei auch wohl mal etwas nass, aber es war ja Sommer und am nächsten Tag war alles wieder trocken. Um 9 Uhr abends flog immer ein Flugzeug über Halverde nach Berlin. Wenn das zu hören war, mussten wir nach Hause kommen.

Hausaufgaben. Foto: Walburga Zimmermann
Die Nachbarkinder waren auch mit dabei und wenn wir so doll am spielen und plantschen waren, haben wir das Flugzeug auch wohl „überhört“, dann wurde aber bald von zu Hause gerufen „habt ihr denn den Flieger nicht gehört. Jetzt ist Schluß, ihr müsst nach Hause kommen“. Über unsere Diele sind wir dann ins Haus geschlichen. Vorne an der Haustür schnell „gute Nacht“ gerufen und dann ab ins Bett. Die Erwachsenen saßen ja alle draußen vor der Haustür. An einer anderen Stelle in der Aa war es tiefer. Dahin gingen dann unsere großen Brüder zum Reinigungsbad. Handtuch und Seife wurden mitgenommen. Wir Kinder durften da nicht hin. Wir nannten die Stelle das „tiefe Loch“.
Wir hatten wenig Spielzeug
Viel Spielsachen hatten wir nicht. Sie gehörten Allen zusammen. Einen dicken Ball und eine Puppe hatte ich aber für mich. Diese Puppe hatte einen Porzellankopf, bewegliche Arme und Beine und einen Lederbauch. Sie war schön und das Kleid was sie an hatte, wird unsere Maria ihr wohl genäht haben. Von wem ich die Puppe mal geschenkt bekommen habe, weiß ich nicht mehr. Ich vermute, dass ich sie von unserer Lehrerin hatte. Unsere Schwester Antonia ging in den Jahren dorthin und putzte dort die Wohnung. Diese Puppe hatte ich sehr lieb, sie hatte aber keinen festen Namen. Sie hieß alle Tage anders. Aber eines Tages, ich wollte mit ihr spielen, da war die Puppe weg.Ich habe sie gesucht und nicht gefunden. Ich war traurig. Eines Tages sagte mir meine Schwester, dass sie die Puppe an ein anderes Kind verschenkt hätte. Da wir zu unbedingtem Gehorsam und zum keine Widerworte geben erzogen wurden, musste ich da auch mit der bitteren Wahrheit fertig werden. Man hatte das zu tun, was Vater und die älteren Geschwister sagten. Bei uns Mädchen hieß es oft, „das tun Mädchen nicht, das können Mädchen nicht und das ist nur was für Jungs. Fahrradfahren habe ich das erste Mal getan an Mutters Beerdigungstag. Bei unserer Diele war etwas Gefälle, da lief das Fahrrad etwas herunter, aber die Bäume auf dem Nachbarhof standen immer im Weg und das Fahrrad war ja auch viel zu groß. Auf dem Schulhof, wo man auch das Radfahren geübt hat, war es genauso schwierig aber irgendwann konnte man auch das und ich fuhr sogar auf einem Herrenrad ins Dorf.
Der erste Freier zu Hause
Als unsere älteste Schwester Verlobung hatte, wurde bei uns im Haus etwas gefeiert ihre neuen Verwandten, ihre zukünftigen Schwager und Schwägerin waren auch da. Nach dem Mittagessen gingen sie spazieren und sahen sich den Garten an. Von einer der Schwägerin wurde ich dann gefragt, „wer ist denn besser deine älteste Schwester oder die, die dann zu Hause den Haushalt machen soll?“ Ich habe dann prompt gesagt, „die die dann zu Hause ist, ist besser. Die älteste schlägt uns soviel“. Dafür habe ich von meiner ältesten Schwester ganz derbe Hiebe bekommen. Ich habe nie wieder so etwas gesagt. Ich war ja auch erst 11 oder 12 Jahre alt.
Am Wegrand die Kühe hüten
Wenn im Sommer die normale Kuhwiese kahl gefressen war, und das Gras in der Heuwiese noch nicht nachgewachsen war, dann war für unsere Kühe eine magere Zeit. Sie mussten dann am Wegrand fressen und wir mussten Kühe hüten. Einen Stock und einen Korb mit kaputten Strümpfen, Stopfgarn, Nadel und Schere und ein Stühlchen zum darauf setzen, bekamen wir mit. Wenn die Kühe ruhig fraßen, konnte man wohl Socken stopfen. Erst wenn die Strümpfe alle heil waren, durften wir auch andere Handarbeit, Strick- oder Häkelarbeit mitnehmen. Einige Stunden dauerte das wohl, mitunter auch ganze Nachmittage. Erst wenn die Tiere satt waren und nicht mehr fressen wollten, dann durften wir nach Hause kommen.
Wenn wir Besuch bekamen sagte Papa zu uns, „geht mal zum spielen, das ist nur was für Erwachsene“. Wir gingen im Winter dann auf die Diele. Oft wurde uns dann auch noch Arbeit zugeteilt. Dicke Rüben abschneiden, die kamen dann in den Schweinetopf. Wir haben viel dabei gesungen, dann konnten wir uns auch nicht zanken.
Besinnliche Weihnacht mit selbst gebastelter Krippe
In der Nikolauszeit und Adventszeit haben wir zum Nikolaus und Christkind gesungen bis zum „ es geht nicht mehr“. Unser Karl hat mal eine schöne Krippe gebastelt. Das machte er am Sonntag. An Werktagen musste er mit auf den Bau oder andere Arbeiten tun. In der Werkstatt wurde dann der Ofen angemacht, damit es etwas warm war. Unser Karl hatte schöne Ideen, wie er die Krippe haben wollte. Einen Stall mit Strohdach, einen Brunnen, Holz was brannte. Das hatte er mit rotem Papier und einer Taschenlampe so hergerichtet. Einen Hügel aus Gips und das Moos suchte er sich im Wald. Zu Weihnachten wurde die Krippe immer wieder aufgestellt. Als die Zeit war, dass unser Karl Soldat werden und zur Musterung musste, war er untauglich. Er war krank. Er hatte Herzerweiterung und ist schon mit 20 Jahren gestorben.

Foto: Walburga Zimmermann
Einen Weihnachtsbaum hatten wir nie, wir hatten in unserer Stube wenig Platz dafür und die brennenden Kerzen waren zu gefährlich. Man hatte Angst das Haus könnte abbrennen. Wir Kinder gingen zum Weihnachtssingen gerne zum Nachbarn. Wir kamen dann auf eine große Truhe zu sitzen. Wenn wir gut gesungen hatten, bekamen wir zur Belohnung wohl mal einen Apfel oder ein paar Nüsse.
Die große Tochter beim Nachbarn hatte die Angewohnheit und schaute gerne unsere Fingernägel nach. Wenn sie meinte, dass sie zu lang sind, wurden sie mit einer Schere abgeschnitten.
Dem Papa mussten wir auch wohl beim Fidibus falten helfen. Das waren Papierstücke, die gefaltet wurden. Sie kamen dann in ein Kästchen das von bunten Postkarten gebastelt war und es hing an der Wand. Mit solchen Fidibussen steckte er sich dann die Pfeife an. Zuerst hielt er ihn in den Ofen und wenn er brannte an die Pfeife. Und wenn die wiederum brannte warf er den Rest wieder in den Ofen.
Wer ist der fremde Mann?
Wir Geschwister wurden aufgeteilt in die Großen und die Kleinen. Da meine älteste Schwester 17 Jahre älter ist, ist die Bezeichnung gar nicht so falsch. Als unsere älteste Schwester an einem Herbst- oder Wintersonntagabend Besuch bekam, ihr Freund war das erste Mal gekommen, wurden wir Kleinen aus der Stube rausgeschickt. Wir mussten ins Bett. In der Küche war schon große Beratung, weil wir ihn nicht kannten. Wer ist das? Wir hatten viele Vorschläge. Selbst unser Karl kannte ihn nicht Was will der wohl? Man hatte uns wohl gehört und wir wurden noch einmal ins Bett geschickt. Dann auf der Diele stand das fremde Fahrrad, das kannten wir auch nicht. Wir konnten alles nicht fassen. Dass unsere Schwester einen Freund hatte, war für uns unbegreiflich.
An meine Mutter habe ich nicht so große Erinnerungen. Sie war mittelgroß, etwas beleibt, sicher durch die vielen Kinder, hatte dunkelblonde Haare. Sie trug den Knoten mehr nach oben auf dem Kopf. Ab und zu musste sie den Kopf eingerieben haben. Ich habe das sehr gerne gemacht und mich gefreut, wenn ich das tun durfte. Mama saß auf einem Stuhl und ich stand auf einem Fußbänkchen hinter ihr.
Hausschlachtung
Wir fütterten uns mindestens vier Schweine, die wurden dann im Winter geschlachtet und es wurde auch alles im Hause verwurstet. Wenn Mama dann am Würste kochen war, steckte Mama sich die Nadel, die sie zum probieren, ob die Würste schon gar sind, gebrauchen musste, in ihren Haarknoten. Ja, so ein Schlachtetag und Wurstetag das waren „drocke“ Tage. An den Tagen vorher mussten schon die Schmalztöpfe sauber gemacht werden, Gläser gespült und das Pökelfaß ausgescheuert werden. Am Wochenende wurde das Schwein geschlachtet und zum kalt werden an eine Leiter festgebunden und dann aufrecht an die Dielentür zum kalt werden hingestellt. Damit keine Vögel oder sonstige Tiere daran fressen konnten, wurde es mit einem sauberen Bettlaken zugehängt. Abends brachte man es dann ins Haus. Zum Schlachten wurde das Tier betäubt dann wurde es abgestochen. Das Blut musste aufgefangen werden und anschließend gut gerührt werden, damit es nicht klumpig wurde. Montagsmorgens früh kam dann unser Schlechter zum Schwein kaputtschneiden. Die Schinken wurden besonders sorgfältig behandelt. Die Braten angebraten und in Gläser eingekocht. Der Dicke Speck und die Backen, legte man auch erst zur Seite. Alles andere Fleisch wurde eingeteilt in Kochfleisch und was man für Mettwurst brauchte. Mit einem großen Fleischwolf wurde alles durchgedreht, gewürzt und in Gläser oder Darm gefüllt. Dann wurden Schinken, Speck und Schweinebacken im Pökelfass mit viel grobem Salz, etwa 10 Pfund Salz eingepökelt und sieben Wochen liegengelassen. Später wurden sie dann zum Trocknen im „Bosen“ aufgehängt. Der Bosen war ein Bretterverschlag an der Decke in der Küche, daran war das „Bosenkleidchen“ angebracht, etwas Stoff, es sah aus wie eine kleine Gardine. Wenn die Schinken trocken waren, kamen sie zum Schutz vor Fliegen in einen Schinkenbeutel. Ostern wurde der erste trockene Schinken angeschnitten.
Vom gekochten Fleisch wurde Blut- und Leberwurst und Wurstebrot gemacht. Die Mettwurst wurde auch getrocknet. Im Sommer kam sie dann dünn geschnitten aus Butterbrot. Das schmeckte immer alles sehr gut.
Vater war sehr fromm
Unser Vater war ein lieber, guter, fleißiger Mann. Er wurde 73 Jahre alt und ist an Leberkrebs gestorben. Er hat schwere Zeiten durchgemacht. Er war sehr geschickt und machte, wenn es nur eben möglich war, alles wieder fertig. Die Leute wussten dies auch wohl. Es wurde dann nach Papa in die Werkstatt gebracht. Alte Stühle Spinnräder, alles Kaputte machte er wieder fertig. Ganz selten nahm er Geld dafür. „Lauf mal zu“, waren seine Worte. Nach dem Tode von unserer Mutter ist der täglich zur heiligen Messe gegangen. Dort wird er sich die Kraft für seine schwere Aufgabe geholt haben. Er war recht lieb zu uns und uns ein sehr gutes Vorbild. Geschlagen hat er uns nie, er brauchte nur seine Brille etwas tiefer auf die Nase schieben und sagen: „ Muss ich kommen“, dann war alles schon in Ordnung.
Vor jedem warmen Essen wurde vor und nach dem Essen gebetet. Das Abend- und Nachtgebet wurde gemeinschaftlich in der Stube gebetet. In der Fastenzeit und im Advent betete Papa abends den Rosenkranz. Alle Kinder beteten mit. Für die armen Seelen wurde ein extra Gesätz gebetet. Wir Mädchen durften beim Rosenkranz beten unsere Handarbeit, Stricken oder Stopfen weitermachen. Beim Abendgebet mussten wir die Hände falten. Unser Lehrer und unser Pastor kamen gerne zu Papa in die Werkstatt. Dann wurde sich über das Neueste erzählt. Es gab ja auch nur die Zeitung woraus man das Neueste erfahren konnte. Im Krieg hatten wir ein Radio mit einem Akku. Das wurde aber nur zu Nachrichten angestellt. Elektrischen Strom haben wir erst später bekommen. Im Sommer 1947 kam unser Pastor mitten auf dem Nachmittag. Vater saß draußen am Tisch und las in einem Buch. Er sprach Papa an: „Na, Vater Ahrens wie geht es? Habt ihr in der letzten Zeit noch etwas vom Sohn Otto gehört?“ Unser Otto war in Rheine verheiratet und arbeitete in einem Sägewerk. Unser Papa ahnte nichts Gutes. „Herr Pastor nun sagen Sie ruhig, was ist es? Sie müssen ganz stark sein, der Otto ist verunglückt und sofort gestorben. Ein Balken ist ihm auf die Brust gefallen und ein Splitter ist ihm direkt ins Herz gestoßen“. Papa war sehr traurig. Unser Otto ist 24 Jahre alt geworden.
Schwarze Strümpfe und Holzschuhe
Als Schulmädchen durfte ich auch auf die Kinder von unserem Bäcker aufpassen und damit spielen. Das hatten die Leute gern denn sie konnten dann in aller Ruhe ihre Arbeit machen. Ich machte das auch gerne. Bevor ich abends nach Hause geschickt wurde, bekam ich etwas zu essen. Zu meiner Kinderzeit standen in Halverde 2 Leuchttürme. Die waren für die Flieger. Es war da wohl die Fluglinie nach Berlin. Nach dem zweiten Weltkrieg sind die Leuchttürme entfernt worden. Bei Dunkelheit konnte man die Strahlen eines weiteren sehen. Man sagte uns, dass der in Meppen steht. Unser Hauptschuhwerk Holzschuhe. Wir waren gingen auch mit Holzschuhen zur Schule. Mädchen und Jungen trugen schwarze Wollstrümpfe. Die Jungen trugen knielange Hosen und die Mädchen Kleider aus Wollstoff. Über den Strümpfen wurden „Föddelkes“ angezogen damit die Strümpfe in den Holzschuhen nicht so schnell verschleißen. Sie waren aus Stoff genäht. Die Winter waren auch noch viel kälter. Morgens waren Eisblumen an den Fenstern. Kinder, die einen weiten Schulweg hatten und mit nassen Holzschuhen in die Schule kamen, die mussten die Holzschuhe ausziehen und am Ofen wurden sie getrocknet. Wenn es ganz schnell gehen sollte, wurde auch schon mal ein Stückchen glühende Kohle in den Holzschuh hin und her geschüttelt. Dann war er bald trocken. Im Sommer liefen wir barfuss. Aber auf unseren Steinen in der Küche durften wir ohne Fußzeug nicht laufen. Wir mussten dann so leichte Turnschuhe tragen. Das war schwarzer Stoff mit einer leichten Pappsohle und über der Frist ein kleines Gummibändchen. Im Winter wurden im Wald auch Tannen verkauft, als Brennholz. Die Männer fällten sie dann und aus dem Kopfholz wurden dann Buschen gemacht. Gestapelt blieben sie dann bis zum Herbst im Wald liegen. Jeder wusste wo seine Stelle war. Im Herbst wurden sie dann nach Hause geholt und zu einem großen Buschenhaufen aufgestapelt. Nach dem Krieg fehlten oft Buschen. Sie waren geklaut worden. Mit Tannenzapfen konnte man schön im Herd das Feuer anmachen. Etwas Zeitungspapier wurde zusammengeknüllt, darauf kamen einige Zapfen, darüber etwas Holz und dann wurde es angezündet. Das klappte immer und dann legte man einige Kohlen drauf. Wenn das Feuer länger an bleiben sollte, kam ein Brikett drauf. Für den Schulofen und für den Lehrer mussten wir in den Schulstunden auch Tannenzapfen suchen. Meistens wurde die Naturkundestunde und die Turnstunde dafür genommen. Um in den Wald zu kommen, mussten wir an unser Haus vorbei von da wurde unser großer Bollerwagen mitgenommen und einige Körbe zum Einsammeln. Säcke hatte unser Lehrer mit. Mit voll beladenem Wagen und Gesang ging es nach einigen Stunden zur Schule zurück.
Guter Familienhund
Wir hatten einen Hund, der hieß Nixe. Unsere Nixe konnte alles, aufpassen, aufpassen auf Nachbars Kinderwagen, mit Papa spazieren gehen, Bollerwagen ziehen, Stöckchen vom Dach holen, Kühe holen. Sie war so lieb und tat keinem etwas aber wenn die Zigeuner im Dorf waren und die kamen zu uns, dann bellte er ganz tüchtig und die bekamen dann Angst und gingen dann weiter. Über unserem Hof war ein ganz langer Draht gespannt. Unsere Nixe war mit einer Kette daran befestigt und konnte weit hin und her laufen und auch so die Nachbarn noch mit beschützen. Einmal war Papa mit Nixe raus gegangen nach einiger Zeit kam Nixe allein zu Hause an. Wir fragten, „wo ist der Papa?“ Er jaulte nur und sprang immer wieder so, dass wir mitkommen sollten. Da fanden wir unseren Vater an der Aa liegend. Er konnte nicht mehr allein aufstehen. Als Papa mal einige Tage krank war und im Bett bleiben musste, lag unser Hund den ganzen Tag vor der Tür und war dort nicht weg zu kriegen. Unsere Treue Nixe! Beim Tischgebet legte sie ihren Kopf auf Papas Schoß und sie nahm erst etwas, wenn man es ihr auf den Boden geworfen hatte. Wenn Korn zur Mühle gefahren werden musste, half unsere Nixe mit dem Bollerwagen zu ziehen. Papa hatte ihr ein Geschirr gemacht. Das bekam sie an und dann ging es ab zur Mühle um Roggen oder Hafer mahlen zu lassen. Im Winter wenn Schnee lag musste Nixe die Milchkannen, die wir auf den Schlitten gestellt hatten, ins Dorf bringen oder auch wieder nach Hause holen. Stöckchenholen war auch ein schönes Spiel für sie. Wenn wir das Stöckchen aufs Werkstattdach geworfen hatten, lief sie von hinten herum über Holzstapel, über das flache Dach, über den First und holte uns das Stöckchen vom vorderen Dach herunter. Unsere Nixe war ein Schäferhund.
Der Bauer kam in die Schule
Im Sommer gingen unsere Jungs auch wohl in die Aa zum Fischen mit einem Netz wo sie seitlich 2 lange Stäbe dran festgemacht hatten. Mit dem unteren Stockende stocherten sie am Ufer herum und sie fingen auch immer Fische in ihrem Netz. Anschließend machten sie die Fische fertig, abschuppen, ausnehmen und dann braten. Wir durften alle mit essen, es schmeckte uns immer vorzüglich. Im Herbst wenn Leute Kinder zum Kartoffel suchen brauchten, kamen sie zum Lehrer in die Schule und fragten, wer wohl kommen möchte. Sie, die Kinder, bekamen dann die letzte Schulstunde frei,. Unser Ida und Otto gehörten auch wohl zu den Kartoffelsuchkindern. Das ging dann von 12 Uhr mittags bis abends 6 Uhr und wenn das eigentliche Feld leer war, wurde es noch nachgeeggt und es mussten die restlichen Kartoffeln auf dem großen Feld nachgesucht werden. So ein Kartoffelfeld wurde eingeteilt in Abschnitte, dort wurde meistens ein Birkenstrauch hingesteckt, bis dahin mussten zwei Leute nebeneinander die Kartoffeln aufsuchen. Wenn die eine Seite fertig aufgesucht war, hatte der Bauer die andere Seite vom Kartoffelfeld mit dem Roder schon wieder losgepflügt. So lief man immer hin und her und abends waren alle todmüde. Für einen Nachmittag gab es dann als Lohn 50 Pfennige, das wurde abends zu Hause abgegeben.
Eine gute Bekannte, es kann auch sein, dass es eine Freundin von unserer ältesten Schwester war, ich weiß es nicht genau, wollte Schwester werden und in einen Orden eintreten. Es war noch vor dem Zweiten Weltkrieg weil sie aber krumme Finger hatte, wollte sie in Deutschland kein Ordenshaus haben. Weil man zu der Zeit mit gestreckten Fingern die Hände faltete wenn man zur Kommunion ging, hätte das ja nicht gut ausgesehen. Sie ist dann in einen holländischen Orden eingetreten. Aussteuer und Geld mussten solche auch mitbringen. Nach dem Gelübde ist sie schwer krank geworden und man hat sie dann wieder nach Hause
geschickt. Sie hat noch einige Jahre zu Hause gelebt und ist doch in den besten Jahren gestorben. Weil man sie krank wieder nach Hause geschickt hatte, wollten die Eltern die Aussteuer, das Mitgebrachte, wieder zurück haben. Da kamen die Schwierigkeiten. Das Kloster wollte Nichts hergeben. Mit List und Tausch, mit einer, die bei den Steyler Schwestern eintreten wollte, haben dann die Eltern doch noch etwas Geld und Sachen zurückbekommen.
Die Madonna in Meyers Busch
Unser Weg zur Kirche war immer, dass wir durch Meiers Busch gingen. Fünf Minuten Weg wurde eingeplant. Dort war ein schönes, festgetretenes Pättken und mitten im Busch war ein Gebetshäuschen mit einer ganz alten großen Marienfigur darin.
Man hat uns erzählt, dass diese Madonna eine Doppelmadonna war und in Schale in der Kirche (Zisterzienserkloster) gestanden hat. Als Schale dann evangelisch geworden ist, hat man alles aus der Kirche ausgeräumt und in die Aa geworfen. Aber diese Doppelmadonna ist dann gegen den Strom in Richtung Halverde geschwommen. Ein Bauer Garmann und Meyer haben sie gefunden und auf ihren Höfen aufgestellt jeder hatte eine Mutter Gottes bekommen. Nach dem zweiten Weltkrieg hat der Pfarrer die Mutter Gottes aus der Dorfkirche mit der Mutter Gottes vom Hof Garmann getauscht. Seit der Zeit steht die garmannsche Mutter Gottes in der Kirche. Die andere in Meiers Busch wurde von Meiers geschmückt. Es kamen immer frische Blumen in zwei Vasen. Im Winter standen dann dort Tannenzweige oder Stechpalmen. Ich kann mich erinnern, dass wir auch wohl schon mal mit Mama zum Beten hingegangen sind. Wir hatten auch viele schöne Fotos. Die hatte unser Vetter Josef von der Heide gemacht. Betend bei der Statue und ich weiß auch nicht mehr wo alle mehr. Der Pastor Dreischulte hat sie mal gesehen und gesagt, die gehören ins Pfarrarchiv und Papa hat sie ihm alle gegeben. Als das alte Pfarrhaus abgebrochen ist, ist alles verloren gegangen. Anfang der 80er Jahre war die Mutter Gottes eines Tages weg, gestohlen. Keiner hat etwas bemerkt. Ahrens Hubert erinnert sich wohl daran, dass er irgendwann mal im halbdunkel an der Schulstraße ein Auto mit einem nicht ihm bekannten Autokennzeichen gesehen hat. Seit der Zeit ist die Mutter Gottes weg. Seit einigen Jahren steht wieder eine Statue im Häuschen. Aber der Weg wird als Kirchweg schon lange nicht mehr benutzt. In diesem Busch durften wir nicht spielen. Meiers waren wohl bange, dass wir wohl kleine Pflänzchen ausreißen könnten und es würde dort dann ein Baum weniger wachsen.
Zwar nicht gehungert, aber….

Brotschneiden. Immer in seiner Nähe Hund Nixe.
Foto: Walburga Zimmermann
Was zum Essen und im Haushalt gebraucht wurde, musste von Eiern und vom Milchgeld bestritten werden. Gemüse holte man ja auch aus dem Garten. Die Milch die man zu Hause verbrauchte wurde entrahmt getrunken und von der Sahne Butter gemacht. Kartoffeln hatte man ja auch genug und es war gut so. Wir aßen sie mittags und abends und wenn abends nicht alle Bratkartoffeln aufgegessen worden waren, dann hat man sie zum Frühstück wieder aufgewärmt. Es war eine arme Zeit, die Ideen waren auch groß. Es wurde sogar von Kartoffeln Kuchen gebacken oder von Buttermilch Karamellbonbons gekocht. Zu kaufen gab es in den Läden ja nichts. Gehungert haben wir nicht aber man musste sich auch so durchschlagen. Anfang in den 50er Jahren wurde es besser. Ich erinnere mich auch an die Zeit als unsere Mutter Heilkräuter pflückte. Es waren Blüten und Blätter, von Holunderblüten und Holunderbeeren, Kamilleblüten, Lindenblüten und auch Brombeerblätter. Damals war ja auch alles noch ohne Gift, es wurde nicht gespritzt. Unser Vater hatte Gestelle aus Draht mit Holzrahmen fertig gemacht. Darauf wurden die Blüten oder Blätter im Schatten getrocknet. Wir Kinder haben im Frühling auch wohl Flaschen an den Birkenwurzeln gelegt. Es war verboten aber wir brauchten den Saft zum Kopf einreiben, davon sollten die Haare wachsen. Wir haben es auch wohl getrunken, es schmeckte gut. So hatte Mama für alle Wehwehchen ein Mittel parat. Wenn wir Husten hatten, bekamen wir heißen Holunderbeersaft oder auch Zwiebeltee. Da wurden Zwiebeln mit braunem Kandiszucker gekocht, wenn er ganz dick flüssig war schmeckte er am besten. Wenn wir Bauchschmerzen hatten oder einfach alles weh tat und man wusste nicht mehr was man eigentlich hatte, dann ließ Mama uns aus der Kaffeetasse einen Schluck Kaffee (Bohnenkaffee) trinken. Das half uns immer. Wir Kinder, ob Mädchen oder Junge, wir mussten alle stricken und stopfen lernen. Unser Vater hat auch wohl viel gestrickt. Wie hätte Mama auch sonst zurecht kommen sollen. In der Herbst- und Winterzeit, wenn es anfing dunkel zu werden, ging Mama wohl zum Nachbar um da etwas zu erzählen. Aber sie ging nie ohne ihren Strickstrumpf. Auf dem Weg dahin war sie auch immer am stricken.
Unser Karl musste auch einmal sein Strickläppchen fertig kriegen, aber es wollte nicht so recht klappen. Neben ihm saß ich und musste Kartoffelschälen, da wollte er doch lieber Kartoffelschälen und er hat mich gebeten für ihn ein Stückchen an seinem Läppchen zu stricken. Wir haben getauscht und sind nicht mal dabei aufgefallen. Als ich meine ersten Söckchen gestrickt habe, ach war das eine Qual. Das erste Söckchen das ging alles noch wohl, aber das zweite wollte gar nicht fertig werden. Man konnte es noch so viel ziehen, es wollte nicht länger werden und am Ende war es doch kleiner geraten als das erste Söckchen. Unser Karl hat mal Pech gehabt. Er war beim Hinfallen so dumm gefallen, dass sein Strumpf vorm Knie ein Loch hatte. Da musste er sich den Strumpf stopfen. Als er das Loch gestopft hatte meinte er, ich bin noch nicht fertig, ich stopfe noch einmal darüber. Wenn ich dann noch mal falle, brauche ich nicht zu stopfen, denn der Strumpf ist darunter dann ja noch heil.
Zwei Kinder in einem Bett

geb. 26.01.1877, gestorben 07.11.1950.
Foto: Walburga Zimmermann
Ja, unser Karl, er war schon sehr krank aber ich habe es da nicht gewusst. Ich wusste wohl, wenn du weg läufst kann er dich nicht einholen. Ich musste zum Unterricht zur Kirche, sollte aber für Karl noch etwas holen, aber ich wollte es nicht, da bin ich ihm weggelaufen. Wenn ich wie jetzt daran denke, dann tut mir es heute noch leid, dass ich ihm den Gefallen nicht getan habe ihm zu helfen. Ganz unten auf der Diele (Tenne) hatten wir unser Klo (Plumsklo). Vorne, gleich bei der Tür, hatte Papa für uns kleinen ein kleines Klo hingemacht. Ich schlief mit Ida zusammen auf der Upkammer in einem Bett. Da hatte ich mal eine Zeit, wo ich dann nachts immer mal zum Klo musste. Es war dunkel, allein wollte ich nicht auf die Diele gehen, denn man hörte immer was. Entweder war es eine von den Kühen die mit den Ketten klapperten oder es war die Katze, die aufgeschreckt weg lief, weil wir, Ida und ich mit der Taschenlampe in der Hand uns heimlich zum Klo schlichen. Ich hatte zuviel Angst allein zu gehen. Ich meinte immer, da ist jemand. Bald war unser Ida das zu bunt. Sie bestellte mir, geh` heute Abend zum Klo, ich gehe in der Nacht nicht mehr mit dir dahin. Es hatte geholfen. Von da an brauchte ich nicht mehr hin. Weil unser Anna und Ida fast gleich alt waren, bekamen sie auch fast immer Kleider aus demselben Stoff genäht. Wenn dann so ein Kleid noch nicht verschlissen war, dann musste ich es nachtragen, oder ich bekam aus den beiden Kleidern noch eines genäht. Ich musste Immer alles nachtragen. Was war meine Freude groß, als unser Anna kleiner war als ich. Da habe ich auch mal ein neues Kleid bekommen. Einmal hat unser Bernhard mir grünen Wollstoff geschenkt für ein neues Kleid und ein blaues Handarbeitskästchen. Das habe ich heute noch.
Funktionierende Nachbarschaft
Früher mussten sich die Leute gegenseitig helfen, deshalb hatte man auch eine Nachbarschaft. Bei uns war der Bauer, also Meier der 1. Nachbar. Wenn etwas zu regeln war, dann sagte man es beim 1. Nachbar an und der regelte dann alles weitere. Der 1. Nachbar sollte auch Pferde haben, denn das war wichtig, um bei Beerdigungen den Leichenwagen fahren zu können. Die Verwandtschaft wurde auch mündlich benachrichtigt (später wurden Karten geschickt aber viel später). Vor der Beerdigung gab es im Trauerhaus, wo auch der Sarg war, für die Verwandten, die von weiter weg kamen, Kaffee mit Butterkuchen. Um 9 Uhr war dann die Beerdigung, anschließend das Seelenamt. Dann ging man wieder zum Sterbehaus zum Mittagessen. Meistens gab es Hühnersuppe. Dazu hatte jeder Nachbar ein Huhn abgegeben. Zum Mittagessen gab es dann Rotkohl, Kartoffeln und Fleisch. Auch das Hühnerfleisch wurde dann mit aufgestellt. Nach dem Mittagessen wurde noch ein Schnaps angeboten und wer mochte bekam eine Zigarre. Das ganze Essen fand auf der Diele statt. Dort auf der Diele war morgens erst der Sarg aufgestellt. Dann ging man über die Diele durch das große Dielentor mit dem Sarg zum Leichenwagen. Danach stellten die Nachbarn einige lange Tische und Bänke auf und es wurde auf der Diele Mittag gegessen.
Hochzeitsfeiern im Frühjahr oder Sommer
Wenn eine Hochzeit im Haus anstand, wurde aus der engen Verwandtschaft ein Hochzeitsbitter einige Wochen vor der Hochzeit losgeschickt. Das Fahrrad wurde bunt geschmückt, er bekam bunte Bänder an seinen Hut und seinen Stock. Er musste ein langes Gedicht lernen um es bei den Hochzeitsgästen zur Einladung fehlerfrei aufsagen zu können. Als Dank für die Einladung gab es dann von den Leuten einen Schnaps und Trinkgeld. Mitunter hatten diese Männer es sehr schwer, denn der viele Alkohol zeigte irgendwann seine Wirkung und mancher ist dann mit seinem Fahrrad in den Straßengraben gelandet. So eine Hochzeit wurde dann im Haus beim Bräutigam gefeiert. Dazu brachten die Nachbarn ein Huhn einen Schinken und eine Rolle Butter als Geschenk. Die Nachbarfrauen kochten dann das Mittagessen. Wenn die Braut ihnen in die Töpfe sah dann wurden die aber böse. Gegessen und gefeiert wurde auf der Diele.
Meistens war es im Frühjahr oder im Sommer wenn die Hochzeit gefeiert wurde so dass das Vieh, die Kühe, nicht im Stall waren. Mit Birkenzweigen wurden die Ställe verdeckt. Nur ganz oben im Stall war ein Platz freigelassen. Da stand dann eine geschmückte Kuh mit einem Kranz auf dem Kopf. Die Braut hatte diese Kuh als Mitgift mitgebracht. Man konnte es an der Kuh sehen, wo die Braut herkam. Eigentlich waren früher bei uns nur braunbunte Kühe, wenn aber eine Braut aus Niedersachsen oder aus dem Emsland kam, brachte sie eine schwarzbunte Kuh mit in die Aussteuer. Bei einer großen Bauernhochzeit war die große Diele oft noch zu klein. Die Tische wurden in U-Form aufgestellt. Die Junggesellen aus der Nachbarschaft mussten beim Essen bedienen. Es gab Mittagessen, Kaffeetrinken mit Butterkuchen und Abendessen, danach wurde getanzt. Dazu kam meistens einer der einen Trecksack (Schifferklavier) spielen konnte. Es wurde gefeiert mit Bier und Schnaps. Und um 12 Uhr wurde der Braut der Schleier abgenommen. Mitunter wurde sie auch entführt und dann musste sie losgekauft werden. Danach war so eine Hochzeit auch bald beendet. Aber bei Meiers Hochzeit haben unten am Tisch auch 2 Fremde den ganzen Tag mit gegessen. Keiner hat sie gekannt. Man wusste nicht, kommen die von der Seite der Braut oder wer sind die. Nachher meinte man, es waren Handwerksburschen, die sich da mal satt gegessen hatten. Mit Schmücken, Rosenmachen, Ausmessen und und und und konnte so eine Hochzeit wohl eine ganze Woche dauern. Es war nichts schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen. Die Kleidung der Frauen waren, wenn sie über 40 Jahre waren, recht dunkel gehalten. Die Trauerbekleidung wurde auch viel länger getragen. Wenn der Mann gestorben war trug die Witwe ein Jahr lang tief schwarze Kleidung und ein Jahr schwarz-weiss. Bei Eltern trug man ein Jahr und 6 Wochen. Warum auch noch 6 Wochen habe ich nie verstanden. Als unsere Mutter gestorben war, bekam ich eine schwarze Rundumschürze, die habe ich ein Jahr lang angehabt. Daher ist es auch kein Wunder, dass die Frauen alle so dunkel gekleidet waren. Unsere Mutter trug ihr Kleid knöchellang und auch im Sommer mit langen Ärmeln, die Farbe dunkelblau mit weißen „etwas“ darauf. Wenn es heiß war, trug sie einen Klapphut, der schützte vor der Sonne. Ich glaube sie konnte die Sonnenhitze nicht gut am Kopf haben.

Querast. Daran hatten wir eine Schaukel,
die war recht stabil, zwei Eisenstangen
und einen Sitz mit einem Brett. Wenn klei-
ne Kinder hineingesetzt wurden, legte
schnitten sich draußen untereinander selbst die
Haare. Bruder Josef, vorne, raucht dabei.
Foto: Walburga Zimmermann
Wir wohnten mit zwei Nachbarn nahe zusammen. Alle hatten Kinder und auch freilaufende Hühner. Es gab eine gute Lösung: Der Nachbar rechts hat braune Hühner, wir hatten schwarze und der Nachbar links hatte weiße Hühner. Jeder hatte auch einen passenden Hahn dazu.
Im Frühjahr fing dann auch mal ein Huhn an zu brüten. Man merkte es indem es gluckte. Dann legte man Eier unter und das Huhn brütete sie dann in 28 Tagen aus. Ganz lieb umsorgte die Glucke, das Huhn, dann später ihre kleinen Küken. Wenn Leute mal eine andere Sorte Hühner haben wollten, dann wurden auch schon mal Eier getauscht. Unser Hof war eingegrenzt mit dicken Eichen. Ein Eichbaum stand ziemlich nah bei der Haustür und hatte einen schönen Querast. Daran hatten wir eine Schaukel, die war recht stabil, zwei Eisenstangen und einen Sitz mit einem Brett. Wenn kleine Kinder hineingesetzt wurden, legte man meistens ein kleines Kissen mit hinein und es wurde vorsichtig geschaukelt. Aber wir großen Kinder stellten uns hinein und dann wurde ganz hoch geschaukelt, so hoch, dass bald aus der Küche gerufen wurde, „ihr dürft nicht so hoch, gleich fallt ihr heraus“. Schaukeln war für mich ein herrliches Spiel. Die Schulkinder vom Langenacker gingen auf dem Nachhauseweg bei uns vorbei. Das war eine Abkürzung und die braucht nicht durchs Dorf. An unserer Schaukel konnten sie nicht vorbei. Einer nach dem Anderen mußte eben etwas Schaukeln. An einem Sonntagmorgen, es war noch etwas früh für zur Kirche, da kam der Nachbar Junge und hat geschaukelt. Er war hoch oben und rief auf einmal, „ich kann freihändig“, ließ sich los und viel heraus. Dabei biß er sich auf die Zunge und es blutete ganz feste. In unseren Kindertagen gingen Papa und Mama, Franz und ich an einem Sonntag nach Weese. Es war da als der Karl Ignaz geboren war. Wir gingen zum Kilmern. Papa trug seinen Handstock auf der Schulter. Damit trug er auf dem Rücken einen großen runden Weggen, der in einem bunten Kissenbezug eingebunden war. Wir gingen durch Wiesen und Felder und hinter dem letzten Haus sagte Mama zu uns Kleinen „Lauf` mal voraus“. Papa und Mama beteten dann den Rosenkranz. Sie meinten dann ist der Weg nicht so weit. Zum Kaffeetrinken wurde dann der Weggen aufgeschnitten. Mit guter Butter und Schinken wurde er dann gegessen. Ein großes Stück, meistens 1/4 Weggen, bekam man dann wieder mit nach Hause.


