Reisetagebuch von Halverde nach Brasilien.

Es war im Frühjahr 1934 als der 24-jährige August Brüggemann als Missionsschüler sich auf den Weg machte, um später als Priester in der Mission in Brasilien tätig zu sein. Über seine Beweggründe, den Abschied vom Elternhaus und über die 3-wöchige Reise auf dem Postschiff der Hamburg-Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft hat er für die Familie ein beeindruckendes Tagebuch geschrieben. Von der ersten bis zur letzten Seite ist das vor 90 Jahren, natürlich in Sütterlin Schrift, verfasste Buch noch gut zu lesen. Jede Zeile und jedes Wort, der inzwischen leicht verblassten Schrift, ist mit großer Sorgfalt geschrieben. Sehr akkurat und in immer gleichem Schriftbild. Mit vielen Fotos, die Aufnahmen in einem kleinen Labor auf dem Schiff selbst entwickelt, hat er seine Aufzeichnungen zusätzlich reichlich bebildert.

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Tischler Bernhard Lammers war in den „Goldenen Zwanzigern“ als Wandergeselle unterwegs

Wenn der Tischler Josef Lammers (Jahrgang 1946), zwei kunsthandwerklich aufwendig gestaltete Holzkästchen auf seinem Wohnzimmertisch öffnet, macht er das mit besonderer Sorgfalt. Mit großer Handwerkskunst hatte sein Vater diese mit Intarsien ausgestatteten Schatullen selbst angefertigt. Darin bewahrt Familie Lammers seit Jahren die interessante Lebensgeschichte der Familie und insbesondere die ihres Vaters auf. Es sind alte Briefe, Urkunden, Fotos und Notizbücher, teils noch aus der Kaiserzeit. Wie in einem Faltbuch lassen sich die Lebensstationen, seit der Geburt des Vaters im Jahr 1904, aufklappen. Ein besonders gehütetes Exemplar ist sein Wanderbuch. Hierin hat er alle für ihn wichtigen Ereignisse während seiner Gesellenwanderung im Jahr 1925 notiert.

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Die Dorfmusikanten

Groß ist die Spannung bei den Kindern. Sie haben auf der hohen Mehlkiste und auf der Sackablage der Kornmühle einen guten Platz gefunden. Von hier oben haben sie eine bessere Sicht und warten darauf, dass die „Musik bald anfängt“. Heute ist Verlobungsfeier und dazu wird auf der Bauerndiele getanzt. Die drei Musikanten haben sich am oberen Ende der Diele aufgebaut. Das Verlobungspaar, die Angehörigen, dazu die gesamte Nachbarschaft schwingen bald auf dem steinernen Dielenboden ihr Tanzbein. Die Kinder lassen sich von den Musikern in den Bann ziehen. Besonders der Schlagzeuger mit seinem aktiven Körpereinsatz hat es ihnen angetan. Auf der weiß gekälkten Diele weicht der Duft der frischen Birken bald dem Dunst von Zigaretten, die sich die jungen Männer aus den Sechser-Päckchen gegenseitig anbieten. Zur Erfrischung zwischendurch lädt der als Theke umfunktionierte Küchentisch ein. Dicke Bohlen auf vierbeinigen Böcken umsäumen die Tanzfläche und laden als Sitzgelegenheit zu unterhaltsamen Schwätzchen in den Tanzpausen ein. Zwischendurch werden Sodaflocken auf den stumpfen Dielenboden gestreut. Das schont müde gewordene Beine. Ein vergnügter Tanzabend nimmt seinen Lauf. Die Kinder derweil leeren ihr letztes Glas mit dem prickelnden rötlichen Erfrischungsgetränk namens Regina und verschwinden in ihren Betten. Und wenn dann zu vorgeschrittener Stunde der Gerstensaft ausgeht, macht ein Spendenhut die Runde. Davon soll der Gastgeber ein neues Fass Bier besorgen. So steht einem weiterhin fröhlichen Verlobungsabend nichts entgegen. Dies ist ein Blick zurück in die fünfziger Jahre, als Bernhard Ostholthoff am Schlagzeug, Josef Tebbe mit dem Akkordeon und Ludwig Straten mit der Trompete für gute Tanzmusik in Halverde sorgten. Die drei hatten sich Anfang der 50er Jahre zusammengefunden, um als Musikkapelle zunächst in Halverde und später auch in den Nachbarorten Musik auf öffentlichen und privaten Feiern zu machen.

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Eine Bauernhochzeit in Halverde

Traditionelle Bauernhochzeiten werden nur noch selten gefeiert. Mit ihr verbunden sind viele Hochzeitsbräuche, die je nach Region unterschiedlich sind.
Eine Bauernhochzeit in den Nachkriegsjahren in Halverde war immer ein Höhepunkt im Dorfleben; ein großes Fest nicht nur für die engere Verwandtschaft, sondern für die ganze Nachbarschaft und nicht selten für das ganze Dorf.
Hart arbeiten und kräftig feiern, das beherzigten auch die Menschen in Halverde. Es waren im wesentlichen das Schützenfest, das Feuerwehrfest und die Kirmes, die im Jahresverlauf des landwirtschaftlich geprägten Dorfes, die gesellschaftlichen Höhepunkte bildeten. Hier trafen sich die jungen Leute bei Musik und Tanz, lernten sich näher kennen und nicht selten fanden zwei Menschen zueinander. Im Gegensatz zur heutigen uneingeschränkten Mobilität, war es früher allenfalls das Fahrrad, das zu einer Unternehmung ins Nachbardorf zur Verfügung stand. Wenn dann die Bande zweier junger Menschen immer enger wurden, kam die Zeit, dass der junge Freier seine Angebetete im Haus ihrer Eltern aufsuchte.

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Eine Hausschlachtung in Halverde

Das Schlachten war früher in fast allen Häusern auf dem Lande und in den Dörfern der Tecklenburger Heimat von besonderer Bedeutung. So gehörte das Fleisch der eigenen Tiere zum Grundbestand der Selbstversorgung. Die Bauern und Heuerleute schlachteten, je nach Größe der Familie, von ein bis zu vier Schweinen im Jahr. In den zumeist vielköpfigen Bauernfamilien wurde bei einer Schweineschlachtung gleichzeitig auch ein Rind oder eine Kuh geschlach­tet. Dies war insbesondere auch dann der Fall, wenn ein besonderes größeres Familienfest an­stand. Das konnte eine Verlobung oder Hochzeit sein, wenn viele Gäste eingeladen wurden und alle beköstigt werden mussten.

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Wandergeselle Franz Runge

Früher war sie obligatorisch oder gar Pflicht, die Wanderschaft von Handwerksgesellen. Dagegen wirkt heute ein wandernder Handwerksgeselle in der Öffentlichkeit eher als absolute Besonderheit oder gar als eigenartiger Exot. Man sah sie an den Ausfallstraßen, um Mitfahrgelegenheit winkend oder freundlich durch Dörfer und Städte schlendernd. Mit ihrer unverwechselbaren, traditionsreichen Zunftkleidung fielen sie weithin sichtbar auf. In erster Linie wurde die Zunftkleidung von traditionsreichen Handwerksberufen getragen. Dazu zählten unter anderem: Dachdecker, Zimmermänner, Maurer, Steinmetze, Tischler und Schornsteinfeger. Heute trifft man sie nur noch recht selten in der Öffentlichkeit an. Zur Hochzeit der Wanderungen, etwa Beginn des 20. Jahrhunderts, machten sich viele nach dem Abschluss ihrer Lehrzeit (auch Freisprechung), für etwa drei Jahre auf den Weg. Man nannte es dann auf Wanderschaft gehen oder auf die Walz oder Tippelei. Der Wanderordnung entsprechend durften sie sich während der Zeit nicht näher als 50 Kilometer zum Heimatort entfernt aufhalten. Franz Runge, damals frischer Tischlergeselle beim Tischler Bernhard Lammers in Halverde, machte sich im Jahr 1957 von Halverde zu Fuß auf den Weg zu einer Wanderschaft durch Deutschland, die Schweiz, Österreich bis nach Rom in Italien. In seinem Wanderbuch hat er detailliert seinen Fußweg bis nach Lindau am Bodensee aufgeschrieben. Vom Bodensee aus machte er sich auf den Weg nach Rom. Diesen legte er aber mit einem anderen Wandergesellen mit dessen Roller als Sozius fort. In seinem Tagebuch hat er seine Tageseindrücke und Erlebnisse aufgeschrieben.

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«De Naischken»

Mitte des vergangenen Jahrhunderts wohnten in Halverde knapp 900 Einwohner. Typisch für die damalige Struktur der Landbevölkerung war, dass es neben der dominierenden Landwirtschaft, viele unterschiedliche Handwerksberufe gab. Es waren die für Grundbedürfnisse des landwirtschaftlichen Lebens typische Gewerke. So auch in Halverde, in dem kleinsten Dorf des damaligen Kreises Tecklenburg.
Es gab Zimmerer, Wagenbauer, Tischler, Maurer, Schmiede, Anstreicher, Eierhändler, Schuster, Schneider und Näherinnen. In den Wintermonaten gehörten die Hausschlachter dazu. Die meisten dieser Handwerker betrieben nebenbei noch eine kleine Landwirtschaft. So war es möglich, den Lebensunterhalt für die durchweg bescheidenen Ansprüche zu bestreiten. Nicht zu vergessen sind im sozialen Gefüge des kleinen Ortes, zwei Lebensmittelgeschäfte und zwei Gaststätten. Dorfmittelpunkt aber war die katholische Kirche. Auffallend war in diesem Zusammenhang die stattliche Zahl von insgesamt vier Schneiderinnen bzw. Näherinnen sowie von zwei Herrenschneidern, die in den fünfziger bis siebziger Jahren tätig waren. Nimmt man die nur 886 Einwohner von Halverde (Stand: 13. September 1950), bedeutete dies eine pro Kopf-Versorgung von 1 Schneider/Näherin pro 147 Einwohner. Die ungelernten Schneiderinnen gingen zu den Familien und erledigten dort die haushaltsüblichen Flick- und Näharbeiten. Die ausgebildeten Schneiderinnen dagegen hatten ihre Nähstube zu Hause. Sie fertigten maßgeschneidert jegliche Art von Damenkleidern und -blusen. Sie wurden auch Weißnäherinnen genannt, weil sie auch Bettwäsche nähten.

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Das Dreschen

Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einem tief greifenden Wandel in der Landwirtschaft. Bis dato hatten die Bauern ihre Produkte viele Jahrhunderte lang auf immer gleiche Art und Weise hergestellt. Man benutzte für die Feldbestellung und die Ernte verhältnismäßig einfache Geräte. Die Bauern führten ein einkömmliches Leben. Dann, mit der Erfindung der Dampfmaschine setzte die sogenannte “industrielle Revolution“ ein. Das sollte sich auch auf die Landwirtschaft auswirken. Die Technisierung, der Einsatz von Kunstdünger und die Erschließung neuer landwirtschaftlicher Nutzflächen führten zum erhofften Effekt des enormen Anstieges der Ernteerträge. Die Technik gewann, wie schon in der Industrie und im Handwerk, auch für die Landwirtschaft mehr und mehr an Bedeutung. Schon vor dem ersten Weltkrieg bediente man sich der ersten Sämaschinen. Ganz vereinzelt gab es im Ort schon Mähmaschinen. Diese besaßen anfangs nur Mähbalken, womit wenigstens die schwere Arbeit mit der Sense entfiel. Bald folgten als wesentliche Erleichterung ein angebauter Mähtisch und ein Rechen zum Ablegen des Getreides.
In den Folgejahren nahm die Entwicklung immer neuer Ackergeräte an Fahrt auf. Die Neuentwicklungen waren zunächst nur auf den Betrieb mit Pferdegespannen ausgelegt. Da sind beispielhaft der Pflug, die Sä- und Mähmaschine, der Heuwender und -rechen zu nennen. Die neue Technik bescherte den Landwirten leichteres und deutlich schnelleres Arbeiten. In der Folge spannten die Bauern ihre Pferde vor immer neuere und bessere Ackergeräte.

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Die Milchbauern

Zu Fuß zur Schule, das war für Schulkinder in Halverde zu Beginn der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts alternativlos. So war die Versuchung auf dem Schulweg jedes Mal groß, doch auf den Milchwagen aufzuspringen und ein Stückchen mit dem „Milchbauern“ mitzufahren. Das war Anfang der 50er Jahre. Wir nannten sie Milchbauern und teilten mit ihnen des Morgens den Weg. sie lenkten ihr Pferdefuhrwerk zur Molkerei Hopsten und wir waren zu Fuß auf dem Weg zur Kirche in die Vorschulmesse. Es wäre so einfach gewesen, auf die Ladefläche zu kommen. Rückwärts an den Wagen gelehnt, den Tornister über die Ladekante gehoben, dann hochgesprungen und hochgestemmt und schon hätte man mit einem Hopser auf dem Milchwagen gesessen. Aber nein, das Risiko uns mitzunehmen, war unseren Milchbauern zu groß. Bestand unsere Fußgruppe doch immerhin aus sieben bis neun gleichaltrigen Volksschülern. Aber für uns wäre es doch viel gemütlicher und spannender gewesen, auf dem Milchwagen mitzufahren; vielleicht dann sogar die Zügel in die Hand nehmen zu dürfen und das Gespann zu lenken. Aber immer traf uns der gestrenge Blick des Milchbauern vom Bock des Fuhrwerks. Was uns blieb, war ein erneuter Versuch am Mittag auf dem Rückweg, denn dann würden wir uns wieder treffen.
Der Milchtransport für die Halverder Bauern zur Molkerei nach Hopsten war zu Beginn der 50er Jahre aufgeteilt unter mehreren so genannten Milchbauern. Dies waren Kleinbauern, die im Nebenerwerb die Milch bei den Höfen einsammelten oder von Sammelstellen abholten und zur Molkerei transportierten. Diese Tätigkeit bescherte ihnen, wenn auch bescheidene, so doch kalkulierbare monatliche Einkünfte.
Im Einzelnen waren dies für die Bauernschaften Kreienfeld und Osterbauer Heinrich Dullen, Bernhard Affing, Leo Stermann, Franz Ottenhus und Josef Sewüster. Für Langenacker I transportierten Josef Büscher und Josef Üffing und für Langenacker II und Dorf Ewald Stermann und Josef Garmann die Milch zur Molkerei.

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Das Schwesternhaus

Es ist schon erstaunlich, was die alten Unterlagen aus dem 19. Jahrhundert über die allgemeine Wohlfahrtpflege in der bäuerlichen Gesellschaft belegen. Auch in Halverde, damals noch Tochtergemeinde von Recke, war die Armen- und Wohlfahrtpflege gut organisiert. Träger dieser Hilfseinrichtung waren die katholische und die evangelische Kirche. Bei den damaligen recht kargen Lebensbedingungen konnten Krankheiten oder Missernten die Menschen schnell in lebensbedrohliche Situationen bringen. In einem solchen Fall half man mit einer Wohnung oder aus einem Unterstützungsfonds heraus. In der später selbstständigen Kirchengemeinde Halverde war es der Pfarrer Bernhard Heinrich Busch (von 1800 bis 1828), der den sozialen Gedanken fortentwickelte. Es kam zum Bau eines Armenhauses. Hier konnten Arme, Obdachlose und alleinstehende Personen wohnen. Am Armenkamp, an der Straße nach Recke, wurde es gebaut. Im Laufe von Jahrzehnten nutzte man es offensichtlich bestimmungsgemäß für soziale Zwecke. Im Jahr 1906 erfolgte der Abriss des Hauses.

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