Die Milchbauern

Vier Pferdefuhrwerke für den Milchtransport in Halverde
Zu Fuß zur Schule, das war für Schulkinder in Halverde zu Beginn der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts alternativlos. So war die Versuchung auf dem Schulweg jedes Mal groß, doch auf den Milchwagen aufzuspringen und ein Stückchen mit dem „Milchbauern“ mitzufahren. Das war Anfang der 50er Jahre. Wir nannten sie Milchbauern und teilten mit ihnen des Morgens den Weg. sie lenkten ihr Pferdefuhrwerk zur Molkerei Hopsten und wir waren zu Fuß auf dem Weg zur Kirche in die Vorschulmesse. Es wäre so einfach gewesen, auf die Ladefläche zu kommen. Rückwärts an den Wagen gelehnt, den Tornister über die Ladekante gehoben, dann hochgesprungen und hochgestemmt und schon hätte man mit einem Hopser auf dem Milchwagen gesessen. Aber nein, das Risiko uns mitzunehmen, war unseren Milchbauern zu groß. Bestand unsere Fußgruppe doch immerhin aus sieben bis neun gleichaltrigen Volksschülern. Aber für uns wäre es doch viel gemütlicher und spannender gewesen, auf dem Milchwagen mitzufahren; vielleicht dann sogar die Zügel in die Hand nehmen zu dürfen und das Gespann zu lenken. Aber immer traf uns der gestrenge Blick des Milchbauern vom Bock des Fuhrwerks. Was uns blieb, war ein erneuter Versuch am Mittag auf dem Rückweg, denn dann würden wir uns wieder treffen.
Der Milchtransport für die Halverder Bauern zur Molkerei nach Hopsten war zu Beginn der 50er Jahre aufgeteilt unter mehreren so genannten Milchbauern. Dies waren Kleinbauern, die im Nebenerwerb die Milch bei den Höfen einsammelten oder von Sammelstellen abholten und zur Molkerei transportierten. Diese Tätigkeit bescherte ihnen, wenn auch bescheidene, so doch kalkulierbare monatliche Einkünfte.
Im Einzelnen waren dies für die Bauernschaften Kreienfeld und Osterbauer Heinrich Dullen, Bernhard Affing, Leo Stermann, Franz Ottenhus und Josef Sewüster. Für Langenacker I transportierten Josef Büscher und Josef Üffing und für Langenacker II und Dorf Ewald Stermann und Josef Garmann die Milch zur Molkerei.

Eisenbereifte Wagen
Bei den Milchwagen Ende der vierziger Jahre handelte es sich um eisenbereifte Ackerwagen mit niedrigen Seitenbracken. Bald darauf brachten gummibereifte Plateauwagen deutlich mehr Komfort für die Milchbauern. Auf der Ladefläche konnten in Siebener-Reihen insgesamt 105 Milchkannen geladen werden. Anstatt der hergebrachten Bracken verhinderte nun nur ein kleines Winkeleisen das Abrutschen und Herunterfallen der Kannen. Im hölzernen Wetterschutz war der Sitz des Fuhrmannes. Ob Sonn- oder Feiertag, an jedem Tag der Woche musste die Milch transportiert werden. Dies war nötig, da es zu jener Zeit noch keine Kühlanlagen gab. Zwischen der Molkerei und den Milchbauern bestand kein Arbeitsverhältnis. Sie waren eigenverantwortliche Unternehmer im Sinne des Steuer- und Abgabenrechts, des Haftpflichtschutzes und der Krankenversicherung. Ihre Entlohnung bestand aus einem sogenannten Grundgehalt zuzüglich eines Aufschlages anteilig der Litermenge beförderter Milch. Am einträglichsten war der Monat Mai eines jeden Jahres, denn im Frühjahr, nach der Geburt vieler Kälber, brachten die Kühe die höchste Milchleistung.

Strukturwandel
In Halverde gab es im Jahr 1958 eine von der Landwirtschaft bewirtschaftete Fläche von insgesamt 1705,11 ha. Diese setzte sich zusammen aus
520,48 ha Ackerland,
18,19 ha Gartenland,
280,23 ha Wiesen,
516,30 ha Viehweiden und
145,10 ha Wald 1.

Seit eh und je ist Halverde geprägt von der Landwirtschaft, und das ist im Wesentlichen bis heute so geblieben. In den 50er und 60er Jahren zeigte sich eine Sättigung des Bedarfs von Arbeitskräften in der Landwirtschaft. Die jungen Leute sahen in ihr keine berufliche Perspektive, weder im elterlichen noch in einem anderen bäuerlichen Betrieb -auch weil die Entlohnung sehr gering war. So gingen sie vornehmlich in den größeren Nachbarorten den unterschiedlichsten Tätigkeiten nach. Da waren besonders die bauhandwerklichen Berufe, der Bergbau oder die Textilindustrie. Um dem drohenden Fortzug dieser Leute aus der Gemeinde entgegenzuwirken, wurden von weitsichtigen Politikern Baugrundstücke in Halverde ausgewiesen. Anfang der sechziger Jahre war im Ort das Baugebiet Kleiner Esch erschlossen. Dies hatte eine rege Bautätigkeit zur Folge. Die neugebauten Einfamilienhäuser gaben dem Ort bald ein neues Gesicht.

Zweier-Gespann des Milchbauern Josef Üffing mit einem gummibereiften Plateauwagen

Der Haupterwerb der Halverder Bevölkerung aber lag weiterhin in der Landwirtschaft. Sie war gekennzeichnet von einer gesunden Mischung aus kleinen, mittleren und großen Betrieben. Im Laufe der Jahre änderte sich die Größenstruktur der landwirtschaftlichen Betriebe. Zählte man im Jahr 1949 noch 104 Höfe mit aktiver Landwirtschaft, sank bis zum Jahr 1982 die Zahl der Höfe auf nur noch 74 Betriebe 2. Alle landwirtschaftlichen Betriebe waren zugleich auch Milchlieferanten. Der Schrumpfungsprozess setzte sich in den folgenden Jahren weiter fort. Durch die Aufgabe von Höfen aller Betriebsgrößen konnten andere Betriebe durch Anpachtung oder Zukauf von Flächen expandieren. Im Februar 2010 existierten schließlich noch 22 landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe3 in Halverde. Von diesen produzierten nur noch vier Betriebe Milch. Diese wird mit Tanklastzügen an die Humana Milchindustrie GmbH zu deren Betriebsstätte nach Georgsmarienhütte geliefert.

Die Milchwirtschaft
Auf den Höfen wurde sowohl Ackerbau als auch Viehwirtschaft betrieben. Der Schwerpunkt lag bei der Milchwirtschaft. Egal wie viele Kühe im Stall standen, noch in den ersten Nachkriegsjahren wurde jede Kuh per Hand gemolken. Das Melken wollte gelernt sein. Ob im Stall oder des Sommers auf der Wiese, man setzte sich auf einen Melkschemel seitlich neben die zu melkende Kuh. Den verzinkten Eimer zwischen die Knie geklemmt, nahm man in jede Hand jeweils eine Zitze. Man umfasste die Zitzen und zog nach unten, um sie gleichzeitig zusammenzupressen. Richtig ausgeführt, schoss die Milch im starken Strahl in den Eimer. Landauf landab war dies überwiegend die Arbeit von Frauen. Die Männer waren insbesondere beim abendlichen Melken noch mit Feldarbeit beschäftigt. In Betrieben mit großem Kuhbestand erledigten so genannte Schweizer diese Arbeiten.
Die Milch, soweit sie nicht zum Eigenbedarf bestimmt war, wurde zur Verarbeitung in die Molkerei nach Hopsten geliefert. Bis dahin hatte sie einige Transportetappen zurückzulegen. Wenn denn das Euter leer und der Eimer im günstigsten Fall voll war, wurde die Milch durch ein Milchsieb in die Milchkannen gefüllt. Dieser Milchseiher war ein bauchiger runder Metalltrichter. Nach innen hin wurde ein Leinentuch gespannt und am Rand mit Wäscheklammern gesichert. Fliegen und sonstige Fremdkörper wurden so aus der Milch herausgefiltert. Das Gros der Milchkannen hatte ein Fassungsvermögen von 20 Litern. Noch in den 50er Jahren wurden für den Transport von der Wiese zum Hof die gefüllten Milchkannen an Fahrrädern angehängt. Dazu waren spezielle Milchkannenhalter an die Lenkstange angeschraubt. Auf den damaligen Sandwegen ließen sich die beidseitig schwer bepackten Räder nur schieben. Es sei denn, der Weg hatte schon eine Schotterlage mit gewalztem Sand, dann musste zum Fahren große Kraft aufgewandt werden.

Die Milchkannen
Im Laufe der Jahre wurden die Milchviehherden immer größer. Die Ackerbauern hatten jährlich nur einmalige Erträge, die Geld in die Kassen brachten, das Milchgeld aber floss monatlich. Jetzt mussten mehr Kannen zur Weide transportiert werden, als dies mit dem Fahrrad zu leisten war. Weil die zweiachsigen Ackerwagen und auch die einachsige Sturzkarre zu groß und sperrig waren, nutzten in Halverde verschiedene Bauern ein Gig oder auch Dogcart. Dies war ein einachsiger gefederter Wagen mit Gabeldeichsel für Einspänner. Als dann die Pferde mehr und mehr von den Traktoren abgelöst wurden, ersetzte man die hölzernen Pferdedeichseln durch eine starre Zugdeichsel. Eine andere Variante zum Transport von Milchkannen war der Anbau einer hölzernen Plattform an die starre Ackerschiene der Traktoren. Auf dieser gut ein Quadratmeter großen Ladefläche konnten dann die Milchkannen und Melkutensilien gestellt werden.

Nach dem Melken wurden die Kannen sogleich zum Kühlen in ein Wasserbad gestellt. Dies waren entweder Holz- oder Metallgefäße oder es konnten auch gemauerte Bassins sein. Ein ständiger Zulauf aus der Hauswasserversorgung leistete das Herunterkühlen der Milch. Vielerorts gab es dazu eine eigens hergerichtete Milchkammer, in der nach Rückkehr aus der Molkerei die Kannen gereinigt und gespült und gegebenenfalls aufgehängt wurden.

Die zurückgelieferte Molke wurde als Zusatzfutter für das Vieh verwandt. Sie wurde meist an die Schweine im häuslichen Stall verfüttert. Hauptsächlich von den weiblichen Arbeitskräften wurden die Milchkannen sofort nach Rücklieferung in der Milch- oder Spülküche gereinigt. Zum Trocknen wurden sie kopfüber entweder in der Milchkammer oder draußen an die Hauswand oder an einen massiven Holzzaun gehängt. Auf vielen historischen Aufnahmen von Gehöften sind derart aufgehängte Milchkannen zu sehen.

Die Milchbänke

Josef Garmann als Milchbauer unterwegs mit einem Einspänner vor einem herkömmlichen Ackerwagen.

Nach dem morgendlichen Melken folgte der Transport der vom Vorabend und vom Morgen gewonnenen Milch zu den an den Hofeinfahrten gebauten Milchbänken. Dort musste die Milch ab 06.30 Uhr zum Abtransport bereit stehen. Für diesen Hoftransport nutzte man in vielen Fällen einen einachsigen, zumeist luftbereiften Handkarren. Die Milchbänke waren eine vorwiegend hölzerne Konstruktion von knapp einem Meter Höhe, die unmittelbar am Fahrbahnrand stand. So konnte der „Milchbauer“ direkt an die Milchbank heranfahren und mit seiner Muskelkraft die 20 Liter fassenden Milchkannen leichter auf die höhengleiche Ladefläche seines Milchfuhrwerkes aufladen. Jede Kanne war sowohl am Deckel als auch an der Kanne selbst durch eine eingeschlagene Nummer gekennzeichnet. Dies ermöglichte eine Zuordnung zu den einzelnen Höfen. Nach dem Einsammeln sämtlicher Milchkannen aller Bauern seiner Tagesroute führte der Weg zur Molkerei nach Hopsten. In der Molkerei war nun anstrengende körperliche Arbeit gefragt. Die Milch musste in die Milchwaage gekippt werden. Milchannahmedaten wie Kannennummer, Milchmenge und Fettprozente wurden erfasst. Dann ging es auf die rückwärtige Seite der Molkerei: Hier an der Rückgabestelle wurden die Kannen wieder auf den Milchwagen geladen. Die entrahmte Milch (als Magermilch bezeichnet) wurde täglich entsprechend der angelieferten Milchmenge an die Landwirte zurückgegeben. Jetzt machten sich die Milchbauern auf den Rückweg. Nicht selten waren in Hopsten noch kleine Besorgungen für Nachbarn und Milchlieferanten zu machen. Diese kleinen Kurierdienste wurden, wenn damit kein Umweg verbunden war, gerne miterledigt. Gegen Mittag war die Milchtour in der Regel zu Ende. Die Kannen waren zurückgebracht und konnten von den einzelnen Eigentümern von den Milchbänken ins Haus geholt werden. Ihren Eigenbedarf an Butter, Käse, Quark oder Buttermilch meldeten die Bauern individuell an. In einer der mittags zurückgebrachten Kannen befanden sich die bestellten Waren. Die 250-Gramm-Pakete Butter der Hopstener Molkereigenossenschaft waren übrigens schon damals so verpackt, wie sie heute in den Supermärkten immer noch zu kaufen sind.

Das Milchgeld
Jeweils zum Monatsende gab es dann für die Bauern das Milchgeld. Die Milchbauern zahlten den Bauern das Geld bar aus. In den ersten Nachkriegsjahren bekamen sie von der Molkerei den Gesamtbetrag ihrer jeweiligen Lieferanten. Zuhause wurde das Geld dann für die einzelnen Bauern gestückelt und persönlich überbracht. Dies war zwar eine sehr verantwortungsvolle, aber auch eine sehr angenehme Aufgabe. Blieb doch beim Barauszahlen hier und da auf dem Küchentisch ein kleines Trinkgeld übrig. Dies hatte bald ein Ende. Das Milchgeld wurde nun von der Zahlstelle der Molkerei einzeln in Kuverts abgepackt. Für die Milchbauern blieb nur der nicht so einträgliche Kurierdienst übrig. Im Laufe der Jahre wurde dann auch zum bargeldlosen Geldverkehr übergegangen.

Die Pferde
Die Pferde der Milchbauern kannten ihren täglichen Weg nur zu genau. Sie wussten, wo sie halten mussten, wussten, an welcher Seite die Milchbänke standen, auch den Weg über die Hauptstraße nach Hopsten gingen sie praktisch selbstständig. Nicht selten kam es vor, dass zwei oder drei Milchbauern auf den oder die anderen beiden aufschlossen. So wie beim Flottillensegeln ging es im Verband gen Molkerei. Die Milchbauern konnten ihren Bock beruhigt verlassen, um beim gemeinsamen Plausch hintendran auf Schusters Rappen zu folgen.

Im Gegensatz zu den „normalen Ackerpferden“, die nur an den Vorderhufen beschlagen waren, trugen die Pferde der Milchbauern auch hinten Hufeisen. Dies war dem schnellen Abrieb der Hufe auf den geteerten oder gepflasterten Straßen geschuldet. Damit die Pferde auch bei Eis und Schnee sicheren Tritt hatten, wurden in die Hufeisen spezielle Vidia-Stifte eingedreht. Dies gab Trittsicherheit und unkontrolliertes Rutschen wurde verhindert. Für die Milchbauern hieß dies, bei Eis und Schnee die Stifte einzudrehen. Waren die Straßen wieder frei, wurden sie umgehend wieder entfernt. So wurde unnötiger Abrieb der recht teuren Stifte vermieden.

Die Motorisierung setzt ein

Die Traktoren ersetzten ab Mitte der fünfziger Jahre die Pferde der Milchbauern; hier das Gespann von Josef Garmann

Mitte der fünfziger Jahre brachte es die industrielle Entwicklung Deutschlands mit sich, dass auch die Landwirtschaft daran partizipierte. Traktoren waren die ersten sichtbaren Zeugen einer einsetzenden Modernisierung. Die ersten Traktoren kamen zunächst auf größeren Bauernhöfen zum Einsatz. In nur ein paar Jahren gehörten sie zum Alltagsbild aller Gehöfte. Sie waren schneller, stärker und ausdauernder. Böse Zungen sprachen in dieser Zeit von einem „Pferdesterben“ auf den Höfen. Die Industrialisierung machte auch vor den Milchställen nicht Halt. So wurden ab etwa

Anfang der 50er Jahre in den Betrieben mit größerem Milchviehbestand die ersten Melkmaschinen installiert. Lag die Kuhweide in der Nähe des Hofes, wurden die Kühe morgens und abends von der Weide in den Stall getrieben. Diese personalaufwendige Prozedur erübrigte sich bald. Zum sommerlichen Melken auf den Weiden kamen mobile Melkwagen oder stationäre Melkstände zum Einsatz. Zum Betrieb der Melkanlage wurde der notwendige Unterdruck entweder über den Ansaugstutzen des luftgekühlten Dieseltraktors oder durch eine Unterdruckpumpe erreicht. Diese wurde von einem Benzinmotor oder durch die Traktorzapfwelle angetrieben. Auffällig war, dass die Melkanlagen in vielen Fällen auf steten Zuwachs dimensioniert waren. Tatsächlich war in den Folgejahren allerorten eine Viehbestandsvergrößerung zu registrieren. Die damit verbundene größere Investition an Betriebsmitteln zwang die ersten kleineren Nebenerwerbsbetriebe zur Aufgabe der Milchviehhaltung und schließlich zur Aufgabe der Landwirtschaft.

Auch die Milchbauern konnten sich der neuen Entwicklung nicht entgegenstellen. Sie tauschten ihre Pferde gegen Zugmaschinen aus. Dazu wurde die Pferdedeichsel um die Hälfte gekürzt, eine Kupp-lungsöse vorne angeschraubt, und schon konnte der Milchwagen hinter den Traktor gespannt werden. Galt früher der Richtwert für die 6,4 km lange Fahrtstrecke mit dem Pferdegespann zwischen den Kirchtürmen in Halverde und dem in Hopsten von etwa 1 Stunde und 15 Minuten, verkürzte sich die Fahrtzeit beim Traktorbetrieb um mehr als die Hälfte.

Milchtankwagen
Die Milchliefermenge an die Molkerei in Hopsten insgesamt steigerte sich von Jahr zu Jahr bei gleichzeitiger Abnahme der Milchlieferanten. Dies hatte eine weitere Rationalisierung und Kommerzialisierung zur Folge. Das Ende der Milchkannen war absehbar. Ein effektiver Milchtransport war nur durch größere Milchbehälter und schnellere Milchtransporter zu realisieren. Dies wurde im Jahre 1970 Realität. Ein Milchtankwagen übernahm ab nun die Arbeit. Mit einem Schlauch wurde die Milch zunächst noch aus den einzelnen Milchkannen gesaugt. Nach kurzer Zeit verschwanden dann auch die Milchkannen endgültig. Sie wurden durch großvolumige, fest installierte Behälter ersetzt. Die Milchmenge wurde über eine Zähluhr und die Milchqualität über ein Proberöhrchen bei jedem Lieferanten festgehalten.
Alle Milchbauern wurden freigesetzt. Ihre jahrelange Arbeit, zunächst mit ihren Pferdegespannen und später mit Zugmaschinen, war nicht mehr gefragt. Neben ihrer kleinen Landwirtschaft fanden sie neue Beschäftigungen in anderen Berufen. Josef Üffing allerdings wurde als Fahrer des neuen Tanklastwagens angestellt.

Die Hopstener Molkerei an der Bunte Straße in den 60er Jahren. Sie schloss im Jahr 1973.

Im Jahr 1973 schloss die Molkerei in Hopsten. Jetzt wurde die Milch ins Hochwald-Werk in Obersteinbeck geliefert. Nach 10 Jahren wurde die Kondensmilchherstellung am 30. Dezember 1983 eingestellt und in das Milchwerk in Thalfang verlagert. Heute erfolgt die Milchabnahme durch die Humana Milchindustrie GmbH. Die vier Milch produzierenden Betriebe in Halverde fechten heute auf Verbands- und Politikfeldern für einen gerechten Milchpreis. Im europäischen Markt sehen sie sich in ihrer Existenz bedroht.

Die alten Milchkannen haben lange ausgedient. Nach Umwegen über Flohmarktanzeigen und Trödelmärkte finden sie als praktische Wohnaccessoires Wiederverwendung. Buntbemalt dienen sie als Schirmständer oder Blumenvase. Auch die Halverder Kinder gehen heute die weiten Wege nicht mehr zu Fuß zur Schule. Schulbusse sorgen für ihren Transport. Waren es in den 50er Jahren Gruppen bis zu einem Dutzend Kinder, die aus den Bauernschaften gemeinsam zu Fuß zur Volksschule gingen, kämpft die Grundschule heute wegen mangelnder Schülerzahlen um ihren Erhalt.
Autor: Josef Brinker

Aus dem Jahrbuch für den Kreis Steinfurt 2011

Fußnoten

1 Aus: Halverde, Geschichte und Gegenwart 1792–1824–1974, Herausgeber kirchliche und politische Gemeinde

2 Aus: Halverde 1189 – 1989, Herausgeber Gemeinde Hopsten

3 Quelle Landwirtschaftlicher Ortsverein Halverde

Fotos: Josef Garmann und Josef Üffing, sowie Heimatverein Hopsten