Tischler Bernhard Lammers war in den „Goldenen Zwanzigern“ als Wandergeselle unterwegs
Tischler Bernhard Lammers war in den „Goldenen Zwanzigern“ als Wandergeselle unterwegs
Wenn der Tischler Josef Lammers (Jahrgang 1946), zwei kunsthandwerklich aufwendig gestaltete Holzkästchen auf seinem Wohnzimmertisch öffnet, macht er das mit besonderer Sorgfalt. Mit großer Handwerkskunst hatte sein Vater diese mit Intarsien ausgestatteten Schatullen selbst angefertigt. Darin bewahrt Familie Lammers seit Jahren die interessante Lebensgeschichte der Familie und insbesondere die ihres Vaters auf. Es sind alte Briefe, Urkunden, Fotos und Notizbücher, teils noch aus der Kaiserzeit. Wie in einem Faltbuch lassen sich die Lebensstationen, seit der Geburt des Vaters im Jahr 1904, aufklappen. Ein besonders gehütetes Exemplar ist sein Wanderbuch. Hierin hat er alle für ihn wichtigen Ereignisse während seiner Gesellenwanderung im Jahr 1925 notiert.

Wanderschaft von Handwerksgesellen
Früher war es obligatorisch oder gar Pflicht, heute sind wandernde Handwerksgesellen nur noch recht selten anzutreffen. Nach dem Abschluss ihrer Lehrzeit (auch Freisprechung), begaben sie sich drei Jahre lang auf Wanderschaft und hielten sich dabei mindestens 50 Kilometer vom Heimatort entfernt auf. Sichtbar und besonders auffallend waren die Zimmerleute mit ihrer ausladenden Kluft und dem großen Hut. Die Wanderschaft von Gesellen kannte man schon im Spätmittelalter. Wenn jemand in seinem Beruf die Meisterqualifikation anstrebte, war eine dreijährige Wanderschaft in vielen Zünften unumgänglich. Die jungen Gesellen sollten dabei nicht nur neue Arbeitspraktiken, sondern auch andere Orte und fremde Regionen kennen lernen. Einige kamen sogar bis ins europäische Ausland. Insgesamt tolle Möglichkeiten wichtige Lebenserfahrungen zu sammeln. Während der Wanderschaft fanden sie Unterkunftsmöglichkeiten in den Häusern der Gesellenvereine. In Deutschland und den angrenzenden Staaten gab es davon ein dichtes Netz. Allein im jetzigen Kreis Steinfurt gab es, so das Wanderbuch des katholischen Gesellenvereins von 1925, in Burgsteinfurt, Emsdetten, Ibbenbüren, Nordwalde, Ochtrup und Rheine, solche Herbergen.
Von der Idee Adolf Kolpings angetan
Der Tischler Bernhard Lammers machte sich im Jahr 1925 als Wandergeselle von Halverde aus auf den Weg zu einer mehrjährigen Wanderschaft durch Deutschland, die Schweiz und durch Österreich. In seinem Wanderbuch ist detailliert sein Weg über Warendorf,Düsseldorf, Einsiedeln, Wien, Leipzig und Berlin festgehalten. Er wurde als Sohn des Tischlers Josef Lammers am 07. Juni 1904 in Halverde, Kreis Tecklenburg, geboren. Die Familie bewohnte ein Heuerhaus mit der Postanschrift Halverde, Nr. 26 (heutige Lange Straße). Der Vater betrieb in einer zum Heuerhaus gehörenden Scheune eine kleine Tischlerei. Sein Sohn Bernhard erhielt am 27. März 1918, noch während des 1. Weltkrieges, das Schul-Abgangs-Zeugnis der Katholischen Volksschule Halverde. Er ging dann in eine Tischlerlehre beim Tischlermeister Carl Theißing, der in der Nachbarschaft seine Werkstatt hatte. Laut dem Lehrbrief vom 05. März 1922, bescheinigte ihm sein Lehrmeister eine zweieinhalbjährige erfolgreiche Lehre als Tischler. Die Gesellenprüfung vor der Handwerkskammer Münster legte er am 22. März 1922 ab. Danach arbeitete er zunächst im Betrieb seines Lehrherrn weiter. In der kleinen Werkstatt war es ihm im wahrsten Sinne des Wortes zu eng. Mit seiner Neugierde und seiner Unternehmungslust wollte er andere Handwerksbetriebe, andere Gegenden und neue Kollegen kennenlernen. Sein späteres Ziel war es, Tischlermeister zu werden. Den Betrieb seines Vaters zu übernehmen, hatte er dabei nicht im Auge. Er wusste aber, dass vor der Meisterprüfung eine Wanderschaft vorgeschaltet sein musste. Also beschäftigte er sich intensiv mit der Planung. Als erstes strebte er an, ordentliches (definitives) Mitglied in einem katholischen Gesellenverein zu werden. Zunächst aber arbeitete er vom Januar 1923 bis Mai 1925 als Tischler bei der Firma H. Bedenbecker (jetzt Schemberg), in Mettingen.
Die katholischen Gesellenvereine
Mitglied in einem katholischen Gesellenverein konnten nur ledige männliche Handwerksgesellen werden. Wer Mitglied werden wollte, musste sich einer mindestens halbjährigen Probezeit unterziehen. Als Mitgliedsausweis diente das Wanderbuch. So konnten die wandernden Gesellen auch am Vereinsleben anderenorts teilnehmen. Im ersten Jahr der Mitgliedschaft bestand Anspruch auf 30 frei zu gewährende Nachtquartiere in den Gesellenhäusern. In den darauf folgenden Jahren nicht mehr als 40 Nächte und in Ausnahmefällen 50 Nächte. Das Wanderbuch konnte eingezogen werden, wenn die Annahme angebotener Arbeit ohne triftigen Grund verweigert wurde. Die Gesellenvereine waren verpflichtet, ordnungsgemäß reisende Mitglieder eine freie Nachtherberge in einem Hospitium zu gewähren. Soweit der aufnehmende Verein genügend Mittel zur Verfügung hatte, wurde neben einem freien Nachtquartier auch die ortsübliche Verpflegung gegeben. Die Beachtung der Hausordnung wurde dringend empfohlen. Namentlich auf den Schlafzimmern erwartete man Stillschweigen und strenges sittsames Verhalten. Abreisen an einem Sonntag durfte nur derjenige, der zuvor die Heilige Messe besucht hatte. Sofern kein katholischer Gesellenverein vor Ort war, sollte die Anmeldung beim Ortspfarrer geschehen. Adolf Kolping war der Gründungsvater dieser Gemeinschaften. Mit dem Programm sollten „Anregung und Pflege eines kräftigen religiösen und bürgerlichen Sinnes und Lebens“ dem Berufsarbeiter weitergegeben werden. Dies geschah mit ideeller und praktischer Unterstützung.

Planung der Wanderung
Bernhard Lammers hatte sich intensiv auf seine Wanderung vorbereitet. Seine Route plante er mit Hilfe des „Reisehandbuches von Karl Baedeker“, aus dem Jahre 1925. Man sieht dem Exemplar heute an, dass es intensiv genutzt worden ist. Auch wollte er offensichtlich für gesellige Abende in den Heimen gewappnet sein. Dazu nahm er seine Mandola mit. Des weiteren führte er ein Büchlein voll mit handgeschriebenen Liedern und Texten mit, welche er aus anderen gedruckten Exemplaren abgeschrieben hatte. Das besondere war, dass er die geplante Strecke mit seinem Fahrrad zurücklegen wollte. Im Vergleich zu heute war es nicht besonders gefährlich, weil Autos auf den Straßen noch eher selten anzutreffen waren. Laut Statistischem Bundesamt waren im damaligen Reichsgebiet nur 171000 Personenkraftwagen zugelassen. Dagegen musste er sich auf noch viele unbefestigte Straßen gefasst machen. Dazu passt eine Meldung in der Ibbenbürener Volkszeitung vom 21. November 1929, die besagt, dass in Halverde gerade erst die Pflasterung der Hauptstraße fertiggestellt worden sei. In einem speziellen Rucksack verstaute er seine auf`s nötigste beschränkten Kleidungs- und Wäschestücke. Dies war ein militärisches Utensil aus dem 1. Weltkrieg. Das besondere war der mit Fell bezogene Überschlaglappen. Aus diesem sogenannten „Affen“ ließ sich mit ein paar Stützstangen sogar ein kleines Zelt für eine eventuelle Außenübernachtung bauen. Eine Kluft trug er nicht, dagegen gehörte der obligatorische Wanderstab zu seiner Ausstattung. Gut vorbereitet, mit viel Gottvertrauen und dem Segen seiner Familie machte er sich im Frühjahr 1925 auf den Weg. Dieser kann anhand von Zeugnissen und der Aufenthaltsstempel aus seinem Wanderbuch genau nachverfolgt werden.

Beginn der Wanderung
Am 06. Juni 1925 meldete er sich als Mitglied im katholischen Gesellenverein in Warendorf an und erhielt sein Wanderbuch. Durch das Wanderbuch war Bernhard Lammers jetzt ordentliches (definitives) Mitglied. Auf der Innenseite des Buchdeckels ist sein Paßfoto eingeklebt. Auf den ersten Seiten werden die Geschichte des katholischen Gesellenvereins, das religiöse und soziale Programm mit erläuternden Ausführungen und die Wanderordnung des Vereins ausführlich dargestellt. Danach folgen mehrseitige Ausführungen der „Goldenen Worte und Lehren von Vater Kolping“. Es folgen vielseitige Auflistung der katholischen Gesellenvereine in Deutschland und in den angrenzenden Ländern, mit Stand 1925. Die nächsten Seiten sind vorgesehen für Übernachtungsstempel der Vereinshäuser. In einer weiteren Spalte können Zeugnisse der „Präsides“ der jeweiligen Gesellenvereine verfasst werden. Diese sind wichtig für eine erfolgreiche Probezeit. Das Wanderbuch galt als behördlich ausgestellter Passierschein. Auf der Wanderung war es der erste Schritt, nach Ankunft in einem fremden Ort, den ortsansässigen Gesellenverein aufzusuchen, um nach Unterkunft und Verpflegung zu fragen. Der Aufenthalt wurde vom Leiter oder Präses des Heimes bestätigt. Auch Arbeitszeugnisse wurden darin notiert. Für die Stadtsiegel hatte der Wandergeselle beim Bürgermeister auf zünftige Weise vorzusprechen. Es war Brauch, dass der Geselle danach ein Zehrgeld für die Weiterreise oder Hilfe während der Arbeitssuche vor Ort erhielt. Das Buch war das wichtigste Dokument des Gesellen auf seiner Wanderschaft und später ein unersetzliches Erinnerungsstück an die Wanderjahre. Auch heute noch ist das Wanderbuch, welches von der CCEG, der europäischen Wandergesellen-Dachorganisation, herausgegeben wird, ein Dokument nach Art eines Reisepasses.
Zeugnisse über die erfolgreiche Probezeiten
Für einen Zeitraum von vier Wochen fand Lammers in Warendorf eine Anstellung als Tischler. Nun lief seine Probezeit. Am Ende seines Aufenthaltes bescheinigt ihm der Präses eine „fleißige Beteiligung in allen Veranstaltungen und die letzte Hl. Kommunion am 21.6.1925.“ Die Wanderung führte ihn danach in Richtung Düsseldorf. Hier war er bei der Tischlerei Heinrich Wortmann eineinhalb Jahre als Tischler beschäftigt. Auch wandte er sich gleich dem dortigen katholischen Gesellenverein zu. Über seine Zeit erhielt er mit Datum vom 04. Juli 1926 folgendes Zeugnis: „Bernhard Lammers gehörte hier seit August 1925 dem Verein als treues und pflichteifriges Mitglied an, das sich an allen Veranstaltungen rege beteiligte. Wir anempfehlen ihn bestens. Letzte heilige Communion mit 04. Juli 26. Beiträge einschließlich Juni bezahlt.“ Mit Siegel vom katholischen Gesellenverein Düsseldorf. Das letzte Zeugnis vor dem Start der Wanderung in Richtung Süddeutschland erhielt er im April 1927: „Bernhard Lammers war seit dem 3. Aug. 1926 hier Mitglied. Nach einigen Monaten wählten ihn die Mitglieder zum Amt eines Vorstandesmitgliedes, welches Amt er mit Bereitwilligkeit und freudigem hilfstätigem Eifer ausübte. Mit gleicher Hingebung war er für die Fachabteilung seines Berufes tätig. Wir anempfehlen ihn bestens. Unsere aufrichtigsten Wünsche begleiten ihn. Letzte Heilige Oster-Kommunion am 03.04.1927“. Mit Siegel vom katholischen Gesellenverein Düsseldorf. Hiernach verlässt er Düsseldorf in Richtung Süden. Er nutzt das Rheintal und erreicht am 05.05.1927 Darmstadt. Hier übernachtet er im Haus des katholischen Gesellenvereins. Dann folgen die ersten Steigungen des Odenwaldes ehe er Stuttgart erreicht. Auf dem Weg Richtung Offenburg und Neustadt i. Schwarzwald warten ebensolche Anstiege auf ihn. Beim Zollamt Bargen überquert er die Grenze zur Schweiz und erreicht Altdorf-Uri. Die nächste Schweizer Station ist der Ort Einsiedeln. Bekannt ist Einsiedeln durch das Kloster Einsiedeln, den bedeutendsten Barockbau der Schweiz mit der Gnadenkapelle und einer Figur der Schwarzen Madonna, die unter Katholiken großes Ansehen genießt. Anschließend passiert er bei Tisis die Grenze nach Lichtenstein. Durch die Flußtäler von Ill und Inn erreicht er zunächst Landeck und anschließend Innsbruck. Von hier aus führt ihn der Weg in Richtung deutscher Grenze nach Kufstein. Sein nächstes Ziel ist die Stadt Rosenheim. Diese verlässt er Richtung Berchtesgarden an der deutschösterreichischen Grenze. Er benutzt wiederum vorzugsweise Alpentäler um nach Salzburg und weiter nach Linz zu kommen. Weiter geht`s die Donau flußabwärts über den Ort Enns nach Wien. Von Wien aus führt ihn der Weg gen Norden in Richtung Deutschland nach Straubing. Die Donau weist ihm den weiteren Weg nach Regensburg. Für die Strecke nach Nürnberg nutzt er das Maintal. In der Fränkischen Schweiz warten wieder Steigungsstrecken auf ihn, ehe er Lichtenfels erreicht. Nicht minder anstrengend ist die Strecke durch den Thüringer Wald nach Leipzig. Von hier fährt er über Dessau nach Brandenburg a.d. Havel. Schließlich erreicht er am 25.07.1927 das Haus des Katholischen Gesellenvereins in Berlin-Central. Hier endet nach gut 2 Jahren seine Gesellenwanderung.


Besuch der Meisterschule
Nach seiner Ankunft in Berlin fand er zügig Arbeit. Jetzt, mit einigem Abstand zum Ende des 1. Weltkrieges, sprachen die Menschen von den „Goldenen Zwanziger Jahren“ (1924 – 1929). Gerade in Berlin keimte neue Hoffnung auf für einen wirtschaftlichen Aufschwung und eine politische Beruhigung. Das kam Lammers, als arbeitsuchenden Handwerksgesellen, gerade Recht. Er war bis in die 30er Jahre bei den Firmen Arthur Röhrbein, Berlin NO, Fritz Caspary, Berlin-Marienfelde und Firma E. Bunzlow, Berlin NO beschäftigt. Trotz der 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise fand Bernhard Lammers immer wieder Arbeitgeber, die einen versierten Gesellen für ihren Betrieb gebrauchten. Seine Arbeitslosenkarte weist nur wenige Tage von Arbeitslosigkeit auf. Inzwischen hatte er die Stadt Berlin liebgewonnen. Er wollte in Berlin sesshaft werden und stellte bei der Handwerkskammer Berlin einen Antrag auf Zulassung zur Meisterprüfung. Im Rahmen der Abendschule besuchte er den Meisterkurs. Diesen schloss er am 02. Oktober 1930 vor der Meisterprüfungs-Kommission der Handwerkskammer zu Berlin mit der Meisterprüfung ab. Auch in Berlin schloss er sich dem katholischen Gesellenverein an. Mit Datum vom 15.01.1931 bescheinigte ihm der Präses die Teilnahme an allen Generalkommunionen. Für die Zeit der Meisterschule hatte man ihn für alle Verpflichtungen im Gesellenverein dispensiert. In Halverde aber war im Juli 1930 sein Bruder bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt. Daraufhin wurde er gebeten nach Hause zurückzukehren. Eine Fortsetzung der Wanderung von Berlin aus oder ein Bleiben in Berlin hatte sich somit erledigt. Er übernahm die Tischlerei zu Hause und wurde mit Datum vom 01. Oktober 1931 als Inhaber eines Tischlereibetriebes in die Handwerkerrolle der Handwerkskammer Münster eingetragen.
Tischlerei und Familie in Halverde gegründet
Ab dann betrieb er als selbstständiger Tischler sein Handwerk in der Werkstatt seines Vaters. Er heiratete 1936 und gründete eine Familie. Sie wurden Eltern von 8 Töchtern und 2 Söhnen. In Halverde gehörte er der Kolpingsfamilie an. Im Jahr 1933 hatten sich die Katholischen Gesellenvereine mit „Kolpingsfamilie“ einen neuen Namen gegeben, um den neuen Machthabern keinen Vorwand zur Gleichschaltung zu geben. Infolge dessen wurden die Häuser der katholischen Gesellenvereine in Kolpingshäuser umbenannt. Zum zweiten Weltkrieg wurde Lammers am 01.09.1939 als Soldat dienstverpflichtet. Er wurde als Feuerwehrmann auf dem Fliegerhorst Hopsten eingesetzt. In dieser Funktion kam er auch in den Niederlanden zum Einsatz. Nach Kriegsende führte er gleich seinen Tischlereibetrieb weiter.
Die Idee Kolpings an seinen Lehrling weitergegeben
Um sich viele Eindrücke seiner Wanderung durch Deutschland, der Schweiz und durch Österreich zu erhalten, hatte er in Ermangelung eines Fotoapparates von allen ihm wichtigen Stationen Ansichtskarten gekauft. Zum Schluss waren es sehr viele, die sich in seinem Rucksack angesammelt hatten und heute in einem der besagten Holzkästchen aufbewahrt werden. Ob es Fotos oder Druckgrafiken waren, mit ihrer Hilfe konnte er später seine Wandererlebnisse bestens in Erinnerung rufen. Das tat er erfolgreich gegenüber seinem Neffen Franz Runge, den er im Jahr 1954 als Tischlerlehrling eingestellt hatte. Dieser erinnert sich, dass sein Onkel damals mit Vorliebe auf seine Wanderung im Jahr 1925 zu sprechen kam. Er selbst habe es äußerst interessant gefunden. Schließlich stand sein Entschluss fest, auch auf Wanderschaft zugehen. Sobald er seine Lehre zu Ende gebracht hatte, sollte es losgehen. Und so kam es, am 07.05.1957, genau 30 Jahre nach der Wanderung seines Lehrherrn, ging der ehemalige Lehrling Franz Runge auf Wanderschaft. Der Tischler Bernhard Lammers übergab seinen Betrieb an seinen Sohn Josef. Er starb im Jahre 1975. Sein Sohn Josef Lammers derweil packt seine Familienschätze wieder in die Schatulle zurück. Dort sollen sie für die nachfolgenden Generationen aufbewahrt bleiben. Ob sich aus der Familie je ein Mitglied wieder auf eine klassische Wanderschaft begibt, ist eher unwahrscheinlich. In der auf Produktivität gedrillten Gesellschaft scheint keine Zeit dafür zu sein. Mit der heutigen Generation der Packpacker sind die wandernden Handwerksgesellen vom Beginn des 20. Jahrhunderts nicht vergleichbar; heute überwiegt eher der touristische Aspekt.
Dieser Text ist im Jahrbuch des Kreises Steinfurt 2021 erschienen. Text: Josef Brinker, Fotos: Josef Lammers; Feb. 2025